Österreicher geben wieder Geld aus

Symbolbild
SymbolbildAPA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken

Steuerreform, niedrige Zinsen und steigende Reallöhne treiben den Konsum der Privaten stärker als erhofft. Jeder fünfte Österreicher will sich in den nächsten sechs Monaten wieder „etwas Großes“ leisten.

Wien. Seit der Sommer da ist, haben die Österreicher offenbar die Lust am Geldausgeben wiedergefunden. Ihre Einkaufswagen scheinen voller, Unternehmen berichten von einer stärkeren Auftragslage, und die Statistiker dürfen endlich wieder ein Plus vor ihre Prognosen schreiben. Die Ökonomen von Wifo, IHS und Nationalbank feierten den Anstieg des Privatkonsums schon nach dem ersten Halbjahr als große Konjunkturstütze der heimischen Wirtschaft. Doch es könnte noch besser kommen als erhofft.

Jeder fünfte Österreicher will in den nächsten sechs Monaten einen größeren Betrag ausgeben, um etwa die Wohnung zu renovieren, ein Schwimmbad im Garten zu bauen oder ein neues Auto zu kaufen, so das Ergebnis einer Umfrage des Linzer Market-Instituts unter 800 Österreichern. Zum Vergleich: Noch zu Jahresbeginn planten nur sieben Prozent so große Investitionen für 2016.

Das ist eine gute Nachricht, denn immerhin ist der private Konsum derzeit für mehr als die Hälfte des Wirtschaftswachstums verantwortlich. Österreichs Wirtschaftsforscher hatten für heuer bereits ein Konsumplus von 1,3 (Nationalbank) bis 1,7 Prozent (Wifo) einkalkuliert. Setzen die Österreicher ihre Ankündigungen in die Tat um, könnte der Anstieg letztlich deutlich darüber liegen.

Mehr Einkommen, kaum Zinsen

Aber warum ist die Kauflaune plötzlich wieder da? Die Ökonomen bieten unterschiedliche Erklärungen an. Zum Teil ist der höhere Konsum ein rein statistischer Effekt: Durch die Fluchtbewegung hat sich die Zahl der Menschen im Land stark erhöht – entsprechend steigen auch die Konsumausgaben in Summe. Aber nicht nur das, darüber hinaus ist tatsächlich etwas in Bewegung gekommen: „Die Steuerreform ist endlich bei den Menschen angekommen“, sagt der Linzer Universitätsprofessor Friedrich Schneider. Auch Wifo, IHS und Nationalbank bestätigen die positiven Effekte der Lohnsteuersenkung. Da der niedrige Ölpreis zudem die Inflationsraten in Österreich drückt, steigen die real verfügbaren Einkommen der Haushalte erstmals seit vielen Jahren wieder an. Die Nationalbank rechnet für heuer mit einem Plus von 2,3 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Österreicher das zusätzliche Geld kaum sinnvoll anlegen können. In Europa gibt es auf Spareinlagen de facto keine Zinsen mehr. Angesichts des drohenden Brexit werden die Notenbanken in den USA und Europa an ihrer Niedrigzinspolitik auch so bald nichts ändern. Wer Geld hat, gibt es also am besten aus, so die Logik vieler. Wer keines hat, geht eben zur Bank.

„In Österreich war die Stimmung viel zu lang schlechter als im Rest der EU“, ergänzt IHS-Ökonom Klaus Weyerstrass. Er sieht die aktuelle Aufhellung als Teil einer „notwendigen Aufholbewegung“. Die Frage sei aber, ob die Entwicklung genüge, um „die strukturelle Konsumschwäche zu überwinden“. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich der Privatkonsum im Land nur sehr schwach entwickelt, seit der Finanzkrise stagniert er (siehe Grafik). Die Gründe dafür sind teilweise noch vorhanden: Die Realeinkommen steigen zwar wieder, die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt hingegen angespannt.

„Angst vor Jobverlust war bei allen Stimmungsindikatoren der vergangenen Jahre der entscheidende Grund, warum Österreicher beim Geldausgeben zögern“, sagt Wifo-Ökonom Christian Glocker.

Der Anstieg des Privatkonsums werde nicht reichen, um wirklich kräftiges Wirtschaftswachstum auszulösen, so IHS-Experte Weyerstrass. Unternehmen kommen noch mit ihren vorhandenen Fabriken aus. Erst wenn sie in den Ausbau investieren (müssen), könne Österreich auf Wachstum hoffen, das auch die Arbeitslosigkeit wieder senken könne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wohnungsbau in Wien
Österreich

Neuer Optimismus für Österreichs Wirtschaft

Der Optimismus der Österreicher bezüglich privater Investitionen lag am Beginn des Jahres niedrig. Doch laut einer erneuten Umfrage soll das zweite Halbjahr einen erheblichen Aufschwung bringen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.