"Bei der Hypo hat sich die Politik als Bank verkleidet"

Thomas Uher
Thomas Uher(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Erste-Bank-Chef Thomas Uher über die Bankensteuer, die EZB als Stimmungskiller, das sportliche Abwerben von Kunden – und wie Sparer trotz Nullzinsen noch zu Erträgen kommen.

Die Presse: Die Bankensteuer wird gesenkt. Dafür muss die Branche eine hohe Einmalzahlung leisten. Sind Sie zufrieden?

Thomas Uher: Es ist kein Grund zum Jubeln, aber ein Kompromiss, mit dem wir gerade noch leben können. Bei der Einführung hatte man uns versprochen, dass alle Belastungen von EU-Seite voll angerechnet werden. Von einer Einmalzahlung war keine Rede. Aber wenn sie abgearbeitet ist, kommt man auf ein europäisches Niveau. In einem Binnenmarkt kann man eine Branche nicht in einem Land höher belasten. Sonst passiert das, was die Bank Austria vorexerziert hat: Das Geschäft wird verlagert.

Die Abgabe hatte ein Motiv: Nach Finanzkrise und Hypo-Debakel wollte die SPÖ die Banken zur Verantwortung ziehen.

Der Politik ist es glänzend gelungen, den Banken den Schwarzen Peter umzuhängen. Der Hypo-Ausschuss hat gezeigt: Hier hat sich die Politik als Bank verkleidet und einen riesengroßen Skandal provoziert. Trotzdem überweist die Branche seit vielen Jahren eine Bankensteuer, die zehnmal so hoch ist wie in Deutschland. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Porr bei den Problemen der Alpine zur Kasse gebeten wurde, oder Billa bei der Konsum-Pleite. Ich bin es leid, für Banken mit falschem Geschäftsmodell zahlen zu müssen.

Das Image der Banken hat stark gelitten. Hat die Branche als Ganzes keine Fehler gemacht?

Doch. Wir haben vor der Krise selbst in Produkte investiert, die wir nicht ganz verstanden haben. Unseren Kunden hätten wir etwa Schiffsfonds besser nicht verkauft. Und dass alle heimischen Banken und Vermögensberater den Weg in den Franken gegangen sind, war im Rückblick auch nicht gescheit.

Im Gegenzug zum Bankensteuer-deal fordert die Regierung mehr Kredite. Gibt es davon zu wenig?

Da haben wir ein gutes Gewissen. Wir wachsen im Kreditgeschäft und sind bereit, mehr zu vergeben. Die Investitionen der Unternehmen waren in den vergangenen drei Jahren niedriger als im langjährigen Vergleich. Das ist die Achillesferse für das Wirtschaftswachstum.

Warum wird zu wenig investiert?

An den Banken liegt es nicht. Die Ablehnungsrate ist nur leicht gestiegen. Auch nicht am Zustand der Unternehmen: Die Ergebnisse sind sehr ordentlich, die Cash-Reserven hoch – nichts hat sich bei uns so stark erhöht wie die Einlagen von Firmen. Viele haben fertige Investitionspläne in der halb offenen Schublade. Dann passiert etwas, wie eine neue Steuerdebatte, und die Lade ist wieder zu. Es liegt also an der Stimmung. Es fehlt uns der Zukunftsglaube. Und das ist von der Politik geprägt, von Putin bis Syrien, aber auch vom gefühlten Stillstand in Österreich.

Ist er nur gefühlt?

Besonders viel ist nicht weitergegangen, bis vor ein paar Wochen. Das Start-up-Paket ist ein wichtiges Signal. Die Regierung sollte aber auch befristete Investitionsanreize setzen: vorzeitige Abschreibung und Investitionsfreibeträge, für 18 Monate. Die Österreicher lieben Steuerzuckerl. Die Politik hat da ein mächtiges Instrument, sie sollte es nutzen.

Sparer ärgern sich, weil sie keine Zinsen mehr bekommen.

Ich halte die extreme Niedrigzinspolitik der EZB jetzt für einen wirklichen Fehler. Sie ist ein Stimmungskiller. Wenn Draghi sagt: Das ist die schwerste aller Krisen, deshalb brauchen wir die dicke Bertha permanent schussbereit – da darf man sich nicht wundern, wenn die Unternehmen sich fürchten und nicht investieren. Die Inflation kommt zurück. Es wäre für die EZB an der Zeit zu sagen: Wir sind aus dem Gröbsten heraus und heben die Zinsen leicht an. Dann hätten wir ein Problem weniger.

Braucht nicht Südeuropa die Nullzinsen weiterhin?

Die Wirtschaft dort braucht sie nicht, die hat andere Probleme. Die extreme Niedrigzinspolitik hat nur zwei Profiteure: erstens Firmen, denen der schwächere Euro hilft – aber der Kurs wird nicht davonrennen, wenn man jetzt die Zinsen leicht anhebt, weil das ja auch die US-Zentralbank macht. Und zweitens die Staaten, denen Draghi mehr Zeit für Reformen verschafft, weil sie auf ihre Schulden wenig Zinsen zahlen. Aber diese Zeit nutzen sie eh nicht. Also ist das komplett vergeudetes Geld.

Es sieht aber nicht danach aus, dass sich die Zinsen normalisieren. Was raten Sie Kleinanlegern?

Jeder braucht Liquidität, für den nächsten Urlaub oder für den Fall, dass die Waschmaschine kaputt geht. Dafür bleibt das Sparbuch das richtige Instrument. Für alles darüber hinaus gilt: Ohne Risiko gibt es heute keine Verzinsung. Man muss gut mischen. Über Wertpapiere kann man auch in Immobilien, Gold und Rohstoffe investieren. Dazu Aktien, ein bis zwei Fonds. Wir raten sehr zum Wertpapiersparen mit laufenden fixen Einzahlungen – da kommt man im Schnitt auf niedrige Einstiegskurse.

Alle Studien sagen: Österreich ist „overbanked“. Da kann sich die große Sparkassengruppe als Ganzes nicht ausnehmen.

Sicher, es gibt viele Spieler, und die Kundenzahl pro Filiale ist deutlich niedriger als in anderen Ländern. Aber es kann nur jeder für sich optimieren. Wir als Erste Bank müssen wachsen. Also entweder der Markt wächst, oder wir holen uns die Kunden vom Mitbewerber. Das gelingt uns auch sehr gut.

Als im vorigen Herbst die Probleme der Bank Austria bekannt wurden, haben Sie recht aggressiv Kunden abgeworben. Bank-Austria-Chef Zadrazil fand das nicht die feine Art . . .

Das sehe ich sportlich. Ich weiß, der liebe Kollege Zadrazil ist ein Sportler, das werde ich schon zurückbekommen. Aber ich denke, es war noch im zulässigen Bereich. Wenn ein Markt nicht wächst, gibt es Verdrängungswettbewerb. Darauf stellen wir uns ein. Nicht unelegant, sondern mit guten Angeboten für unsere Kunden.

Wann führen Sie eine Bankomatgebühr ein?

Das ist für uns zurzeit kein Thema.

Wenn ein Kunde einer anderen Bank abhebt, entstehen Kosten. Die werden anderswo draufgeschlagen. Wäre eine direkte Gebühr nicht fairer, transparenter?

Das würde technisch noch gar nicht funktionieren.

Angenommen, das Bargeld wird wirklich abgeschafft: Würde die Kriminalität zurückgehen?

Dazu ist der Bargeldumlauf viel zu gering. Die großen Steuerhinterzieher und Geldwäscher arbeiten mit ganz anderen Instrumenten. Wir machen den bargeldlosen Zahlungsverkehr so bequem wie möglich. Aber die Wahlfreiheit muss bleiben. Dem österreichischen Pensionisten zu verbieten, am Monatsersten die Pension in bar abzuheben, halte ich für aberwitzig.

DIE SPARKASSENGRUPPE

Die Erste Bank der Österreichischen Sparkassen, die Thomas Uher leitet, bildet zusammen mit den Sparkassen in den Bundesländern den heimischen Sparkassensektor. Er erzielt einen jährlichen Produktionswert von 7,8 Mrd. Euro. Diesen Betrag hat das Industriewissenschaftliche Institut im Auftrag der Erste Bank errechnet. Davon entfallen 3,7 Mrd. auf das eigentliche Bankgeschäft. Weitere 2,1 Milliarden steuern die Lieferanten – etwa für Computer, Strom oder Reinigung – durch ihre Vorleistungen bei. Die restlichen zwei Milliarden stammen aus Folgeeffekten: Das Einkommen der Mitarbeiter der Institute und ihrer Lieferanten werden zum Konsum von Gütern und Dienstleistungen verwendet.

Der Sparkassensektor in Österreich sorgt direkt für über 12.000 Arbeitsplätze, samt Vorleistungen und den Folgeeffekten sind es 31.500.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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