„Die AUA verspielt ihre Chance“

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Der neue Bordbetriebsratschef, Rainer Stratberger, warnt vor einem gravierenden Personalengpass, der die gerade begonnene Expansion wieder bremsen könnte.

Wien. 300 Flüge muss die AUA just in den verkehrsstarken Sommermonaten Juli und August streichen, weil sie zu wenige Piloten – bzw. zu viele Piloten in Schulungen für neue Flugzeugtypen – hat. Eine unangenehme, aber angesichts von insgesamt 23.000 Flügen in diesem Zeitraum durchaus verkraftbare Maßnahme, wie Airline-Chef Kay Kratky jüngst betonte. Doch der neue Bordbetriebsratschef Rainer Stratberger schlägt Alarm: Der rot-weiß-roten Fluglinie drohe ein viel größerer Personalengpass, der die positive Entwicklung massiv bremsen oder sogar zum Stillstand bringen könnte, warnt er.

Der Grund: Das Gros der rund 170 Piloten, die die AUA seit Anfang 2015 befristet aufgenommen hat und noch aufnimmt, könnte nämlich wieder „abfliegen“. Die fertig ausgebildeten Piloten, die überwiegend von der Mutter Lufthansa kommen, haben nämlich nur auf zwei Jahre befristete Dienstverhältnisse erhalten – mit der Aussicht, dann in den AUA-Bordkollektivvertrag wechseln zu können. „Kein Einziger hat dieses Angebot aber bisher angenommen“, sagt Stratberger im Gespräch mit der „Presse“. Die ersten Verträge laufen schon Ende dieses Jahres aus.

Eine extrem schwierige Situation also: „Die AUA verspielt ihre Chance auf die langfristige Expansion und damit die gute Zukunftsperspektive, die sie sich mit dem neuen Bordkollektivvertrag erworben hat“, sagt Stratberger. Mit dem neuen KV hat die AUA die günstigste Kostenstruktur im Konzern. Wobei der Betriebsrat für die in der Vergangenheit gesetzten Sparmaßnahmen durchaus Verständnis zeigt: „Die Hausaufgaben waren hart, aber überlebenswichtig.“

Der Hintergrund: Als die AUA drohte, finanziell abzustürzen, wurde der Personalstand insgesamt um gut 2000 Stellen reduziert. Im Rahmen der von Kratkys Vorgänger, Jaan Albrecht, durchgezogenen radikalen Sanierung – und der damit verbundenen Fusion von AUA und Tyrolean – sind zusätzlich etliche Piloten ausgeschieden. Diese – und noch viele mehr – fehlten plötzlich, als die AUA 2014 wieder auf Expansionskurs schwenkte. Weshalb schon im Sommer 2015, allerdings ungeplant, Hunderte Flüge gestrichen werden mussten.

Neue Langstreckenziele

Die AUA baut nämlich die Langstrecke mit etlichen neuen Destinationen, darunter Shanghai, Hongkong, Miami und Havanna, aus. Weitere Interkontinentalziele sind geplant, 2018 soll ein zusätzlicher Langstreckenjet kommen. Auf der Langstrecke lässt sich auch mehr Geld verdienen, weil sie meist auch einen höheren Business-Class-Anteil aufweist.

Zudem ersetzt die AUA die alte Fokker-Regionalflotte durch 17 Embraer (der vierte Jet startete am Montag). Das erfordert umfangreiche Umschulungsmaßnahmen.
Erst vor Kurzem habe die AUA begonnen, Nachwuchs zu rekrutieren. Das sei „ein großes Versäumnis“, weil die ersten Jungpiloten erst 2019 in den Dienst gestellt werden können. Dazu kommt, dass „von 500 Bewerbern, die wir pro Jahr haben, nur fünf bis sieben Prozent in die Pilotenschule aufgenommen werden.“

Die nun als „Lückenfüller“ aufgenommenen 170 Piloten wollen offenbar wieder zurück zur Lufthansa. „Geld steht nicht im Vordergrund“, weiß Stratberger aus Gesprächen mit den Kollegen. Die Lufthansa biete mit ihrem riesigen Streckennetz einfach mehr Karrieremöglichkeiten. Dazu kommt die Konkurrenz: Es ist kein Geheimnis, dass Emirates und Turkish Airlines, aber auch die Billig-Airline Easy-Jet mit attraktiven Konditionen locken. Die Golf-Airline Emirates sucht Piloten für den Riesen-Airbus A380, mit dem sie jetzt auch Wien anfliegt. „Wer würde da Nein sagen?“, meint Stratberger, selbst Airbus-A320-Pilot.

Um die Piloten doch bei der Stange zu halten, wird nun überlegt, die befristeten Verträge um drei bis fünf Jahre zu verlängern. Das ist für Stratberger zwar nur die zweitbeste Lösung – die beste ist für einen Arbeitnehmervertreter naturgemäß der Kollektivvertrag. Aber wenn man damit die Piloten an Bord halten könne, heilige der Zweck die Mittel, sagt er. Vorerst. Denn das könne doch nur eine Übergangslösung sein.

Zur Person

Rainer Stratberger hat sich selbst bei der AUA beworben und dort die Pilotenausbildung gemacht. Seit 1998 ist er Pilot, jetzt fliegt er Airbus A320. Seit 1. Juni ist der 40-Jährige neuer Bordbetriebsratschef. Er vertritt rund 1000 Piloten und 2300 Flugbegleiter. Sein Hobby sind Modellflugzeuge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

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