Todesstoß für ein ganzes Einkaufszentrum?

Shopping City Seiersberg
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Dem größten Shoppingcenter der Steiermark droht nach einem VfGH-Urteil die Schließung. Das Land könnte in Millionenhöhe haften.

Wien. Dem größten Einkaufszentrum der Steiermark droht das Aus: Die Shopping City Seiersberg (SCS) mit ihren 2100 Mitarbeitern könnte mit 15. Jänner 2017 zugesperrt werden. Das entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Freitag. Er beendet damit die jahrelange Rechtsunsicherheit, die über dem 85.000m2 großen Areal südlich von Graz schwebte.

Das Einkaufszentrum stand seit der Eröffnung 2003 unter keinem guten Stern: Die Betreiber hatten zehn Verfahren am Hals, die Grazer Kaufleute – allen voran der Spar-Konzern – angestrengt hatten. Diese warfen dem Riesen am Stadtrand Verstöße gegen die Umwelt, die Bau- und Raumordnung sowie unlauteres Verhalten vor. Seiersberg gewann alle Verfahren.

Doch dann schaltete sich im Winter die Volksanwaltschaft ein und brachte ein Normprüfungsverfahren beim VfGH ein. Was ein Streit unter Konkurrenten war, die sich nichts schenkten, geriet zur verfassungsrechtlichen Grundsatzfrage. Kern des Problems: 2002 erließ die Gemeinde Seiersberg-Pirka, auf deren Grund das Einkaufszentrum steht, eine Verordnung, die die Verbindungswege und -brücken zwischen den Bauteilen des Einkaufszentrums zu „öffentlichen Interessentenwegen“ erklärte.

Juristischer Kunstgriff

Hintergrund war, dass ein einziges Einkaufszentrum dieser Dimension nicht bewilligungsfähig gewesen wäre. Man behalf sich also mit mehreren Gebäuden, verband sie und konnte so eine Betriebsgenehmigung für das komplette Einkaufszentrum erhalten. Der VfGH erklärte die umstrittene Konstruktion nun für rechtswidrig. Was bedeutet: Wenn sich innerhalb der Schonfrist keine rechtliche Lösung für die Wege findet, kann das Center nicht mehr betrieben werden.

Zu dem Schluss kommt auch der Grazer Jurist Peter Bydlinski. In einem für das Center verfassten Gutachten geht er noch weiter: Sollten alle Stricke reißen, könnte das Land Steiermark auf 450 Mio. Euro – den aktuellen Verkehrswert des Centers – geklagt werden. Denn die Verordnungen, die die Wege legalisierten, wurden von der Landesregierung abgesegnet. Bydlinski kommt zu dem Schluss, dass „alle Haftungsvoraussetzungen (nach dem Amtshaftungsgesetz, Anm.) zulasten des Landes Steiermark als Gemeindeaufsichtsbehörde erfüllt“ sind. „Denkmöglich“ nennt Peter Zöchbauer, der Anwalt der SCS, den Klagsschritt. „Wenn man immer wieder bestätigt und bescheint, dass es passt, muss man auch die Konsequenzen tragen.“

Davor will man dem Land aber Zeit zur Nachbesserung geben. „Wir glauben an die Lösungskompetenz des Landes Steiermark“, ließen die Betreiber Christian Guzy und Martin Klein in einer Aussendung wissen. Rettung könnte in Form eines weiteren juristischen Kunstgriffs nahen: Die Gemeinde Seiersberg-Pirka brachte schon im Mai in Voraussicht eines möglicherweise negativen Urteils eine Einzelstandort-Verordnung ein. Das Land prüft sie zurzeit. Die Verordnung würde die Ausnahme von der steirischen Raumordnung legitimieren. Laut Zöchbauer steht der VfGH-Spruch einer neuen Ausnahmeregelung nicht entgegen. Er betont, dass die Richter nicht auf die erhobenen Anschuldigungen eingehen – etwa auf eine vorsätzliche Umgehung des Raumordnungsrechts. Sie hätten lediglich geurteilt, dass die sogenannten Interessentenwege „offenbar nicht überwiegend nur dem individuellen (örtlichen) Verkehrsinteresse bloß einer beschränkten Anzahl von Liegenschaftsbesitzern“ dienen, wie es notwendig wäre, sondern von Besuchern aus ganz Österreich benützt werden. Laut Zöchbauer ist somit nicht alles verloren, es brauche lediglich eine andere rechtliche Basis.

Im Büro des zuständigen Landesrats, Anton Lang (SPÖ), gibt man sich gelassen. Die Verordnung trete erst im Jänner außer Kraft. Das Urteil habe daher „keine unmittelbare Auswirkung auf den Betrieb der Shopping City Seiersberg“. Die steirischen Grünen sprechen von einem „Scherbenhaufen der jahrelang verfehlten Raumordnungspolitik“. Die Kommunisten betonen ihre „Kritik an den Tricks“, die es ermöglicht hätten, „die Verkaufsfläche des Einkaufszentrums weit über die vom Gesetzgeber vorgesehene Größe hinaus zu erweitern“.

Spar-Konzern schweigt

Der Spar-Konzern hat über zwei Grazer Shoppingcenter fünf der zehn Klagen wegen rechtswidriger Verbindungsbauten, Rampen und Ähnlichem eingebracht. Das Einkaufszentrum revanchierte sich, indem es das zugeknöpfte Unternehmen zur Offenlegung seiner Konzernbilanz verurteilen ließ. Und was sagt der Erzrivale zu dem Urteil? Gestern übte man sich in Diskretion. Sprecherin Nicole Berkmann: „Das können wir nicht kommentieren, da wir mit der Entscheidung nichts zu tun haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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