Der Computer als besserer Autofahrer

'Piloted driving' at Audi
'Piloted driving' at AudiAndreas Gebert/DPA/ picturedesk.com
  • Drucken

Mit einer Gesetzesnovelle wird teilautonomes Autofahren auch in Österreich möglich. Die Autos können freilich weitaus mehr, als man ihnen erlauben will.

So ein Verhalten würde man sich von manchen Autofahrern wünschen: Vorn auf der Autobahn ein langsam fahrender Lkw, der den Verkehr aufhält. Aber Jack fährt nicht einfach auf die Überholspur. Er blickt nach hinten und stellt fest, dass bereits ein sehr viel schnelleres Auto überholt. Also wartet Jack, bis dieses Auto vorbei ist, und lenkt erst dann nach links.

Ein Karl hätte das vermutlich nicht gemacht. Ein österreichischer Autofahrer überholt, wenn ihm danach zumute ist – egal, was von hinten kommt.

Jack ist deshalb so rücksichtsvoll, weil er ein Computer ist. Jack ist der Spitzname für einen raffiniert ausgestatteten Audi A7, der seit Monaten selbstständig über deutsche Autobahnen fährt (ständig kontrolliert von einem Menschen). Wann er serienreif sein wird? „Wir liegen derzeit deutlich unter der Zehnjahresmarke“, meint Miklos Kiss, Leiter der Abteilung Vorentwicklung Fahrassistenzsysteme bei Audi, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Und mit dieser Prognose ist der Deutsche noch übervorsichtig.

Schon jetzt sind Computer in vielen Bereichen die besseren Autofahrer als Menschen. Die neue E-Klasse von Mercedes erkennt beispielsweise Fußgänger und kann ihnen, falls der Fahrer nicht reagiert, kontrolliert ausweichen. Bei Kreuzungen erkennt das Auto den Querverkehr und bremst notfalls selbstständig.

Mit solchen Systemen war man in Österreich bis vor Kurzem in einer Grauzone unterwegs. Denn dass beispielsweise ein „adaptiver“ Tempomat bremst und wieder beschleunigt, widersprach streng genommen der Wiener Straßenverkehrskonvention von 1968. Darin hatten die UN weltweit geregelt, welche Aufgaben dem Menschen am Steuer zukommen. Vor zwei Jahren wurde das Abkommen überarbeitet – seither sind „Systeme, welche die Führung eines Fahrzeuges beeinflussen, zulässig, wenn sie jederzeit vom Fahrer überstimmt oder abgeschaltet werden können“.

Mit einer kürzlich beschlossenen Novelle des Kraftfahrgesetzes hat das Verkehrsministerium zudem den rechtlichen Rahmen für automatisiertes Fahren in Österreich geschaffen. Die Novelle ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen noch heuer Tests von automatisierten Fahrzeugen im öffentlichen Straßennetz.


Die Tesla-Unfälle. Damit schließt man etwas spät an die Vorschriften an, die es in anderen Ländern bereits länger gibt. Die Autos könnten freilich noch weitaus mehr, als ihnen die verschiedenen Gesetzgeber erlauben wollen – und lassen es den Fahrer teilweise auch in der Abgeschiedenheit der Fahrerkabine ausprobieren. Gegen Tesla liefen beispielsweise Untersuchungen in Europa wegen dessen „Autopilot“-Funktion. Erst am Donnerstag entschied die zuständige Zulassungsbehörde in den Niederlanden, dass keine Bedenken bestünden – vorausgesetzt, die Fahrer verwendeten das System lediglich zur Assistenz und überließen der Technik nicht die Kontrolle über das Fahrzeug.

Genau das wird aber unterschwellig propagiert und von Tesla-Fahrern, die in ihrer Begeisterung für den Hersteller an die Apple-Jünger von einst erinnern, begeistert auf YouTube-Videos gezeigt. Das blinde Vertrauen in das Fahrzeug war auch das Problem bei den zwei bekannten Unfällen mit einem Tesla, der automatisch gesteuert fuhr. In einem Fall krachte das Auto, ein Model S, ungebremst unter einen Sattelschlepper mit weißer Bordwand, den die Computer nicht als Hindernis erkannt hatten. Und der Fahrer, der bei dem Unfall ums Leben kam? Er schaute die ganze Zeit konzentriert einen „Harry Potter“-Film.

Im zweiten Fall geht es um das neue Model X, das im US-Bundesstaat Montana in eine Abgrenzung gekracht ist. Der Fahrer, ein Chinese, hat mitten in der Nacht den Spurhalteassistenten aktiviert und nicht auf Warnungen des Autos reagiert. Später gestand er, nicht Englisch zu sprechen. Er erhielt übrigens wegen des Unfalls eine Strafe der Polizei wegen „rücksichtslosen Fahrens“.

Bei Audi legt man großen Wert auf die Unterscheidung zwischen pilotiertem und assistiertem Fahren. Es heißt eben „Spurhalteassistent“, auch wenn man ihn jetzt schon mit einem Trick dazu bringen kann, selbstständig auf der Autobahn zwischen Salzburg und Wien zu lenken (normalerweise schaltet sich das System nach 30 Sekunden ab). Echtes pilotiertes Fahren erlauben verschiedene Hersteller derzeit mit Staufunktionen: Das Auto beschleunigt, bremst und lenkt bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit selbstständig (beim Volvo XC90 sind es beispielsweise 40 km/h). „Bei uns geht pilotiertes Fahren im Stau bis 60 km/h in der nächsten Generation des Audi A8 in Serie“, erklärt Kiss (der A8 kommt im Sommer 2017 auf den Markt).


Das vernetzte Auto. Einen Blick noch weiter in die Zukunft erlaubt der Hersteller Jaguar Land Rover (JLR) auf seiner Teststrecke im englischen Gaydon. Hier fahren die Autos vernetzt. Der Vorteil: Abstand und Geschwindigkeit werden nicht mit einem Radarsystem gemessen, sondern über ein Datennetz direkt von den Fahrzeugen geteilt. Das nachfahrende Auto erhält vom vorausfahrenden ständig Informationen und weiß damit, wie fest der Vordermann bremst oder beschleunigt. So können Autos im knapperen Abstand im Konvoi auf der Autobahn fahren, was unter anderem hilft, Staus zu vermeiden.

Andere Möglichkeiten des vernetzten Jaguars: eine Warnung auf dem Display, wenn in einer unübersichtlichen Kurve ein (vernetztes) Auto mit einer Panne steht oder sich ein (ebenfalls vernetztes) Rettungsauto nähert – inklusive eines Hinweises auf Distanz und Richtung, aus der das Einsatzfahrzeug kommt.

Eine Herausforderung bei allen Versuchen mit vernetzten Autos ist, die wichtigen von unwichtigen Daten zu trennen. Denn die Datennetze können teilweise nicht mit der Fülle der Informationen mithalten: Pro Stunde kann ein vernetztes Auto 25 Gigabyte an Daten sammeln.

Zahlen

4ist das Level, ab dem dem Auto völlige Kontrolle übergeben wird. Die Einteilung in den USA und Europa erfolgt nach sechs Leveln. Level 0 ist „Driver only“, wenn das Auto keine Funktionen übernimmt. Ab Level 1 können bestimmte Assistenzsysteme übernehmen, Level 4 wird definiert als „Vollauto-matisierung“. Die Führung des Fahrzeugs wird dauerhaft vom System übernommen. Der Fahrer kann aber noch aufgefordert werden, notfalls die Führung zu übernehmen. Level 5 definiert die völlige Autonomie des Fahrzeugs, das dann nicht einmal mehr mit einem Lenkrad ausgestattet ist.

25Gigabyte an Daten kann ein vernetztes Fahrzeug pro Stunde sammeln. Googles selbstfahrendes Testauto generiert pro Sekunde etwa ein Gigabyte an Daten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

The interior of a Tesla Model S is shown in autopilot mode in San Francisco
Innovationen

Tesla: "Autopilot" war bei einem der jüngsten Unfälle doch aus

"Mehr noch, der Crash hätte sich nicht ereignet, wenn es eingeschaltet gewesen wäre", behauptet Tesla-Chef Elon Musk auf Twitter.
File photo of Elon Musk, chairman of SolarCity and CEO of Tesla Motors, speaks at SolarCity?s Inside Energy Summit in Midtown, New York
International

Neuer „Masterplan“ für Tesla

Elon Musk will noch in dieser Woche einen „Geheimplan“ bekannt geben. Der Elektroautohersteller hatte zuletzt mit negativen Schlagzeilen zu kämpfen. Doch die Aktie hielt sich wacker.
17 09 2015 xfux News Internationale Automobil Ausstellung IAA 2015 emspor v l Plug In Hybrid
Innovationen

China plant Massenproduktion für selbstfahrende Elektroautos

Bis 2020 möchte ein chinesisches Joint-Venture gleich mehrere Modelle auf den Markt bringen.
Tesla Chief Executive Elon Musk attends a forum on startups in Hong Kong
Innovationen

Tesla-Chef Musk verteidigt nach Unfall "Autopilot"-Software

Der "Autopilot" sei keine noch unfertige Software, sagte Musk. Nach dem tödlichen Tesla-Crash stört man sich an der Bezeichnung "Beta".
US-INVESTIGATION-CONTINUES-INTO-TESLA-DRIVER'S-DEATH-WHILE-IN-AU
Innovationen

Tesla-Zulieferer nennt Autopilot-System "unausgereift"

Die Kameras könnten seitlich kreuzende Fahrzeuge nicht erkennen. Auch weiß gestrichene Lkws könnten ein Problem darstellen. 2018 soll eine Lösung bereitstehen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.