Der Fernbus ist der neue Billigflieger

Die ÖBB sind mit der Hellö-Busflotte in den Kampf um die Fernbuskundschaft eingestiegen.
Die ÖBB sind mit der Hellö-Busflotte in den Kampf um die Fernbuskundschaft eingestiegen. ÖBB
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Die ÖBB sind in den Markt für internationale Busverbindungen eingestiegen, der ähnlich boomt wie die Luftfahrt zum Start der Low-Cost-Airlines um die Jahrtausendwende.

Na gut, Champagner ist es keiner. Aber die lächelnde junge Frau reicht die Wasserflasche ja auch nicht, um sie gegen den Bug des Busses krachen zu lassen und „Ich taufe dich auf den Namen Hellö“ zu rufen. Es ist eine kleine Aufmerksamkeit zum Start an diesem Freitagmorgen am internationalen Busterminal beim Wiener Hauptbahnhof. Zum Start einer Fahrt, die über fast sechs Stunden in die slowenische Hauptstadt, Ljubljana, führen sollte. Und zum Start der Buslinie selbst – es ist eine der ersten Fahrten der Hellö-Busflotte, mit der die ÖBB in den Kampf um die Fernbuskundschaft eingestiegen sind. Die Bahn fährt jetzt Bus? Ja, genau.

Elf internationale Verbindungen bietet man an. Sieben ab Wien, eine ab Innsbruck, zwei ab München und eine ab Prag. Zielorte sind unter anderem Berlin, Frankfurt, Genua, Straßburg, Venedig oder Zagreb. Noch ist freilich nicht alles ganz eingespielt. „Der Bus nach Ljubljana?“, fragt die junge Frau. „Da muss ich selbst nachschauen.“ Und unter den Plastikflaschen in ihrem Stoffsack – natürlich mit Hellö gebrandet – zieht sie einen Zettel hervor. „Ah ja, das ist der nach Venedig, der bleibt in Ljubljana stehen.“ Sie zeigt auf einen der Busse. Hier einsteigen. „Und gute Fahrt!“

Billigflieger auf Rädern

Nun sind längere Reisen mit dem Bus ja gar kein so neues Phänomen. Und doch herrscht gerade auf dem Boden eine Stimmung wie um die Jahrtausendwende in der Luft. Damals begannen Linien wie Ryanair, Easyjet oder auch Sky Europe, den traditionellen Fluglinien das Leben schwer zu machen. Auf der anderen Seite machten die sogenannten Billigflieger damit aber das Fliegen leistbarer. Das Fliegen verlor den Nimbus des Elitären oder des Besonderen, das man sich vielleicht einmal im Jahr gönnt.

Eine ähnliche Stimmung herrscht nun bei den Fernbussen. Verantwortlich dafür ist ein Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts aus dem Juni 2010. Bis dahin wurden Fernbusverbindungen nicht genehmigt, wenn die entsprechende Strecke schon von der Bahn bedient wurde. Das Gericht entschied allerdings, dass es nun sehr wohl eine Genehmigung geben müsse, wenn die Fahrt mit dem Bus deutlich günstiger ist als die Bahn. Mit Anfang 2013 wurde der Fernbusverkehr in Deutschland liberalisiert. Und eine Fortbewegungsart, die bis dahin kaum eine Rolle gespielt hatte, erlebte einen Boom.

In Österreich sind es die Firmen Blaguss, Gschwindl, Dr. Richard und nun eben die ÖBB, die um den Fernbusmarkt kämpfen. Wobei dies unter anderem auch unter der Dachmarke Flixbus passiert – das deutsche Busunternehmen hat mit regionalen Partnern ein Netz über Europa gespannt. Gschwindl betreibt übrigens auch einige Hellö-Busse, der Großteil der ÖBB-Flotte wird allerdings vom hauseigenen Postbus gestellt. So wie bei den Billigfliegern setzten die neuen Busbetreiber zunächst auf den Preis als wichtigstes Instrument. 15 Euro sind es bei Hellö von Wien nach Ljubljana. Der gleiche Tarif gilt aber auch für alle anderen Fahrten. Zum Einstieg gibt es diesen Preis bis Ende September. Danach, sagt Hellö-Geschäftsführer Tobias Hann, werde man „marktübliche Preise“ verlangen. Also Wien-Genua um die 50 bis 60 Euro? „So ungefähr.“

"Presse"-Redakteur Erich Kocina vor dem Start einer Fahrt in die slowenische Hauptstadt Ljubljana
"Presse"-Redakteur Erich Kocina vor dem Start einer Fahrt in die slowenische Hauptstadt LjubljanaValerie Voithofer / Die Presse

Keine Preisschlacht

Tatsächliche Preise will er aber nicht nennen. Denn hier soll es eine weitere Analogie zu den Billigfliegern geben, nämlich Kontingente zu bestimmten Preisen. Wer früher bucht, hat die Chance auf ein besonders billiges Ticket. Sind die günstigen weg, kommt ein etwas teureres Kontingent, bis man am Ende, wenn nur mehr wenige Plätze frei sind, quasi den Vollpreis bezahlt. Eine Preisschlacht mit den Mitbewerbern will er sich aber nicht antun: „Es wird sicher keine Ein-Euro-Tickets geben.“

Mit Preispolitik und Image soll vor allem eine „junge, dynamische, studentische Zielgruppe“ angesprochen werden, wie bei der Präsentation verkündet wurde. Tatsächlich ist das Publikum im Bus Richtung Venedig vor allem eines: ziemlich jung. „Ich brauche eine Vollmacht der Eltern“, sagt der Busfahrer zu einem der Passagiere, der in Graz zugestiegen ist, „sonst kann ich dich nicht mitnehmen.“ Der ruft verzweifelt seine Mutter an – sie soll schnell etwas schreiben und per Mail aufs Handy schicken. „Ich brauche es auf Papier“, sagt der Fahrer. Und lässt sich dann doch noch erweichen. Der Jugendliche mit Strohhut und seine Freunde dürfen mit nach Italien. Zwei davon auf Sitzplätzen, die sie nicht gebucht haben – die Plätze, die auf ihrem Ticket stehen, gibt es in diesem Bus nicht. Kleine Anfangsschwierigkeiten, offenbar.

Junge Menschen auf dem Weg ans Meer oder zum Städtetrip am Wochenende – die sind hier gut bedient. Für Businessreisen ist ein solcher Bus allerdings denkbar ungeeignet. Das WLAN bei Hellö ist zwar halbwegs stabil, um Mails abzurufen oder auf Nachrichtenseiten zu surfen. Doch eine VPN-Verbindung zum Arbeiten aufbauen – das überfordert das buseigene Netz. Besser als im Zug ist es allemal. Erinnert sich eigentlich noch jemand an den Vergleich von Ex-ÖBB-Chef und nunmehr Bundeskanzler Christian Kern, dass es leichter ist, WLAN in einem Space Shuttle bereitzustellen als im Railjet?

Aber abgesehen davon – das Tablett zum Herunterklappen ist maximal dazu geeignet, ein etwas größeres Sandwich abzulegen. Ein Laptop darauf erinnert dagegen an diese lustigen YouTube-Videos, in denen eine Katze über eine Eisfläche schlingert. Computer auf dem Schoß ist etwas stabiler, nur dürfte kein Arbeitsinspektorat der Welt jemals diese Körperhaltung zu Gesicht bekommen. Immerhin, der größten Angst der Generation Akku setzt man im Bus etwas entgegen – es gibt USB-Anschlüsse und Steckdosen, an denen Handy, Tablet und Laptop mit Strom versorgt werden können.

Bus vs. Bahn

Um fair zu sein, eine Büroaustattung hat man im Zug auch nicht. Und abseits der Vierersitzgruppen mit Tisch ist Arbeiten auf der Schiene auch nur eine Notlösung. Für die Entscheidung zwischen Bus und Bahn braucht es also noch andere Kriterien. Bei Strecken, die per Zug direkt angefahren werden, ist das etwa die Zeit. Die ist auf der Strecke von Wien nach Ljubljana recht ähnlich – geht es nach Fahrplan, ist der Bus mit prognostizierten 5:37 Stunden eine halbe Stunde schneller als der Zug. Wegen einiger Verzögerungen kommt der Hellö-Bus diesmal allerdings schon mit einer Viertelstunde Verspätung an. Auf der anderen Seite hat Chris Lohners Stimme morgens auf dem Hauptbahnhof verkündet, dass der Zug nach Ljubljana mit 20 Minuten Verspätung starten würde – „due to technical problems“.

Spannend wird es bei Strecken, die per Bahn nur umständlich erreicht werden können, etwa nach Genua. Hier muss man nur überlegen, ob man wirklich 15 Stunden lang im Bus sitzen möchte – mit Start um 5 Uhr morgens in Wien. Mit dem Zug geht die Strecke je nach Verbindung zwischen 12 und 19 Stunden und zumindest einem Umstieg – meist sind es laut Abfrage auf der ÖBB-Website eher drei. Und der Sparschienenpreis von 59 Euro gilt dann auch nur bis zum Umstieg in Italien. Per Flug ginge diese Strecke übrigens in etwa fünf Stunden – mit Umstieg in Italien – und ab etwa 160 Euro.

Und sonst? Nun, falls es für jemanden ein Kriterium sein sollte – in den Mercedes-Bussen von Hellö kann man nicht gegen die Fahrtrichtung sitzen. Dafür gibt es keinen Speisewagen, kein Bordservice. Das Catering übernimmt im Hellö-Bus der sogenannte Snäckömat – ein Automat, der gegen Münzeinwurf Getränkedosen und Snacks auswirft. Dumm nur, dass der auf der Fahrt nach Ljubljana mit Schwierigkeiten kämpft – er rückt die Erdnüsse einer Passagierin nicht heraus. Der Fahrer kann das Problem nur bedingt lösen – mit einem handgeschriebenen Zettel, den er auf den Automaten klebt: „AUSER BETRIEB“.

Wirklich bequem im Bus ist es vor allem dann, wenn der Nebensitz frei bleibt – das tut er auf dem Weg nach Ljubljana auch. Dann lässt es sich mit ein paar Stellungswechseln und Anlehnen auch über ein paar Stunden halbwegs komfortabel reisen. Aber das ist im Flugzeug ja auch nicht anders. Es sei denn, natürlich, man hat in der Businessclass gebucht, ein Glas Champagner zur Begrüßung inklusive. Aber wer sich das leistet, fällt ohnehin eher nicht in die Zielgruppe für Fernbusse. Ach ja, vielen Dank noch einmal für die Wasserflasche.

In Zahlen

3 Mio. Menschen kamen im vergangenen Jahr mit einem Fernbus nach Wien.

1 Mio. Fahrgäste pro Jahr will der Mitte Juli gestartete neue Anbieter Hellö, ein Unternehmen der ÖBB, bis 2020 befördern.

Umkämpfter Markt

Mit der Liberalisierung des Marktes für Fernbusse in Deutschland startete 2013 der Kampf um Marktanteile. Deutsche Anbieter fertigten im Vorjahr rund 20 Mio. Passagiere ab. Marktführer ist dort mit 71 Prozent Mein Fernbus Flix-Bus. Mit regionalen Partnern (in Österreich etwa Blaguss) hat das Unternehmen ein Netz durch Europa geknüpft.

In Österreich sind es die Firmen Blaguss, Dr. Richard und Gschwindl, die im Fernbusgeschäft mitmischen. Mit der Marke Hellö sind nun auch die ÖBB in den Markt eingestiegen – zu 80 Prozent mit konzerneigenen Postbussen, drei Strecken hat Gschwindl als externer Anbieter unter dem Hellö-Dach übernommen. Eine Million Passagiere pro Jahr will das Unternehmen bis 2020 befördern. Allein in Wien wurden im Vorjahr insgesamt drei Millionen Menschen per Fernbus abgefertigt.

Internationale Busterminals hat Wien derzeit drei, nämlich den Vienna International Busterminal (VIB) in Erdberg, den Busterminal Vienna beim Stadion Center und den Busbahnhof Waldmanngründe beim Hauptbahnhof. Künftig soll es laut Plänen der Stadt Wien nur mehr einen einzigen zentralen Busterminal geben – drei Standorte werden derzeit geprüft (s. Artikel rechts).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2016)

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