Von der Minister- auf die Anklagebank

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KHG(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Einst beliebter Politiker und Society-Gast wurde er zum Mittelpunkt des Gespötts. Nun soll er vor Gericht: Der Aufstieg und Fall des Karl-Heinz Grasser.

„Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“, spricht der neue, smarte Finanzminister im Parlament. Und sticht wiederholt mit markigen Sagern positiv aus dem Heer jener Politiker hervor, die stets nur langweilige Floskeln von sich geben.

Das war im Jahr 2000. Grasser gilt damals als Gewinn für die Regierung. Selbst in der linken Reichshälfte wird er als repräsentabler Vertreter der FPÖ belobigt. Als er nach den Vorfällen von Knittelfeld zwei Jahre später ins Team von Wolfgang Schüssel wechselt, feiert die ÖVP auch dank des beliebten Kärntners einen fulminanten Wahlsieg. Aus der Society-Welt ist der „Fionanzminister“ (Copyright Thomas Gottschalk) ohnedies nicht mehr wegzudenken: „Sie sehen für einen Finanzminister viel zu gut aus. Gibt's da keine EU-Richtlinie dagegen?“, wird Grasser als Gast in „Wetten dass...?“ gefragt. Und schließlich soll 2006 die Krönung der Karriere folgen: Grasser als Vizekanzler, nachdem Schüssel bei der Wahl 2006 hinter Alfred Gusenbauer zu liegen kommt und sich von der Spitze zurückziehen will.

Aus dem Vizekanzlersessel wird nichts, vor allem ÖVP-Grande Andreas Khol meldet intern Vorbehalte gegen Grasser an. Mit dem Image des nun Ex-Ministers geht es in den Folgejahren bergab. Dubiose Freunde und merkwürdige Zufälle werden publik, der Untreueverdacht erhärtet sich im Volk. „Wann geht der Karl-Heinz endlich in Häfen, der Karl-Heinz, wann muss der endlich ins Loch“, singen die Kabarettisten Christoph & Lollo im Jahr 2009 und landen einen Hit. Das Sonnyboy-Image des Kärntners ist dahin.

Stattdessen wird der Fall Grasser in der öffentlichen Debatte immer mehr zum Synonym für verschleppte Ermittlungen. Die politisch unter Druck stehende Justizministerin Claudia Bandion-Ortner erklärt im April 2011, dass es im Fall Buwog bis zum Sommer eine Entscheidung über Einstellung oder Anklage geben müsse. Ein paar Tage später und nach harscher Kritik an einem möglichen Abwürgen der Ermittlungen gegen Grasser ist Bandion-Ortner nicht mehr Ministerin.

Von der Bilderbuchkarriere ins Witzheft

Grasser selbst sieht sich immer mehr als Zielscheibe einer Hetze. Als er 2011 im TV einen Fanbrief vorliest, laut dem er für die Neidgesellschaft als Finanzminister zu jung, zu intelligent und zu schön gewesen sei, erntet der Medienliebling von einst nur noch öffentliches Gelächter. Bezeichnend auch eine Karikatur von Gerhard Haderer, in der er Jesus sagen lässt: „Wer unter euch frei ist von Schuld, der werfe den ersten Stein.“ Als Jesus darauf einen Stein auf den Kopf gedonnert bekommt, schreit er: „Grasser, du Krätzen!“

Dabei schaute Grassers Laufbahn lange nach einer Bilderbuchkarriere aus. Jörg Haider soll den Juniorchef eines Autohauses beim Wagenkauf für Haiders Ehefrau entdeckt haben. Die beiden Männer reisen gemeinsam nach Südafrika, Grasser wird FPÖ-Generalsekretär und später mit 25 Jahren Vize-Landeshauptmann von Kärnten. Nach einem ersten Zerwürfnis mit Haider wechselt Grasser zu Magna, um mit 31 Jahren wieder als Finanzminister in die Politik zurückzukehren. Er gibt sich reformambitioniert, sagt mit seinem „Nullbudget“ dem jahrelang üblichen Schuldenmachen den Kampf an. Immer wieder fällt Grasser aber wegen möglicher Unvereinbarkeiten auf. Er lässt sich Hilfiger-Anzüge schenken und hält dafür eine Rede im Geschäft. Eine Grasser-Homepage wird mit Spenden der Industriellenvereinigung gesponsert. Oder er urlaubt mit dem in die Bawag-Affäre involvierten Wolfgang Flöttl auf einer Jacht von Julius Meinl V.

Stets schafft es Grasser aber, aus den Vorwürfen herauszukommen. Nun aber will ihn die Staatsanwaltschaft wegen Untreue in seiner Zeit als Finanzminister doch vor Gericht stellen (Anklage nicht rechtskräftig). Grasser beteuert auch hier seine Unschuld.

Was ihm missfalle, wurde der heute 47 Jahre alte Grasser als einst 26-jähriger Jungpolitiker gefragt. „Wenn jemand bewusst die Unwahrheit sagt“, antwortete er. Nun muss das Gericht klären, wer die Wahrheit sagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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