Telekom-Chef: „Die Österreicher schätzen uns zu wenig“

Telekom-Chef Alejandro Plater
Telekom-Chef Alejandro Plater (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Telekom-Chef Alejandro Plater sieht seinen Reformkurs als Grund für die Unruhe im Konzern und die Kritik an seiner Person: „Die Bremser sitzen überall.“

Die Presse: Sie sind jetzt ein Jahr Chef der Telekom Austria. Was läuft in Österreich anders als bei Ihren bisherigen Stationen Schweden, Mexiko und Argentinien?

Alejandro Plater: Schweden ist Österreich ähnlich, was Kultur, soziales Bewusstsein und Sicherheit betrifft. Aber Schweden sind liberaler, Österreicher eher konservativ. In Mexiko gibt es schon wegen der Größe ganz andere Maßstäbe. Die größten Unterschiede gibt es aber zwischen den Unternehmen. Die Kultur eines Konzerns ist stärker als die eines Landes. Wenn man für Ericsson arbeitet (dort war er tätig, Anm.), ist es egal, in welchem Land man sitzt, es ist immer Ericsson.

Hat die Telekom so eine Kultur?

Nein, im Unternehmen arbeiten noch immer acht Einheiten getrennt voneinander. Wir sind aber zu klein, um so weiterzumachen.

Ihr größtes Ziel war Wachstum und mehr Profitabilität. Ist das gelungen?

Bevor wir wachsen, müssen Voraussetzungen geschaffen werden. Eine ist der Managementstil. Ich war erstaunt, wie die Telekom geführt wurde. Da gab es Vorstandsmeetings, bei denen von mir verlangt wurde, jede Idee einzeln abzunicken. Ich sagte: „Das ist nicht meine Aufgabe. Ich arbeite an der Strategie, ihr setzt sie um. Ihr braucht meinen Segen nicht.“ Das war eine große Veränderung, denn die Leute hatten große Angst zu scheitern. Scheitern ist o. k. – unter zwei Bedingungen: „fail fast und fail small“. In der Telekom galt eher: Wenn ich etwas versuche und scheitere, verstecke ich es. So kommen wir natürlich nicht weiter.

Ist ein anderer Managementstil genug, um die Kostenziele zu erreichen?

Ich mache keine Restrukturierungsprogramme, ich will, dass die Mitarbeiter ganz selbstverständlich bei jeder Entscheidung nachdenken, ob sie Kosten senkt oder Gewinn steigert. Ich bin besessen vom Sparen.

Viele Mitarbeiter haben Angst vor diesem Wandel. Wie motivieren Sie sie?

Ein Drittel der Mitarbeiter sagt zu allem: Super, da mache ich mit. Ein weiteres Drittel sagt: Aha, da gibt es eine Vision, interessant. Und ein paar lehnen alles ab. Hier geht es um Schadensbegrenzung. Unsere Mitarbeiterbefragung hat ergeben, dass nur fünf Prozent mit der Richtung der Telekom nicht einverstanden sind. Die Bremser sind nicht unbedingt die Beamten. Sie sind überall im Unternehmen, auch in den Auslandstöchtern.

Das Tempo ist wohl manchen zu hoch. Zuletzt stand sogar Ihre Ablöse im Raum. Der Mehrheitseigner America Movil musste ausrücken, um zu beruhigen.

Das war keine lustige Erfahrung. Ich verstehe es irgendwie. Es gibt fünf Prozent Unzufriedene. Wer unzufrieden ist, ist meist sehr laut.

Aber sitzen diese fünf Prozent auch immer im Aufsichtsrat?

Das beantworte ich nicht. Natürlich gibt es auch im Aufsichtsrat Diskussionen und Differenzen. Ich fürchte keine Meinungsverschiedenheiten, das ist Teil des Veränderungsprozesses. Ich hätte nur gern, dass die Diskussion im Unternehmen bleibt. Jetzt verstehe ich, warum Leute in Österreich Angst haben zuzugeben, wenn sie scheitern. Wenn man versagt und der eigene Name landet in allen Zeitungen, dann hemmt das.

Ist das Thema Chefwechsel vom Tisch?

Wir haben eine komplexe Struktur im Unternehmen, zwei große Aktionäre (America Movil und die Staatsholding Öbib, Anm.). Es wird immer wieder Unruhe geben. Wir bringen Veränderung, nicht jeder mag das.

Haben Sie für Ihre Strategie den Rückhalt der Mexikaner und der Republik?

Natürlich. In Österreich spreche ich vor allem mit Wolfgang Ruttenstorfer (Aufsichtsratspräsident, Anm.). Ich fragte ihn, ob ich einen Gang zurückschalten soll, er sagte: „Nein, volle Kraft voraus. Sie machen das Richtige.“ Mit America Movil muss ich darüber gar nicht reden. Bei österreichischen Politikern konzentriere ich mich auf Sachfragen.

Sie sprachen über den Managementstil: Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit der neuen A1-Chefin, Margarethe Schramböck, beschreiben? Angeblich soll A1 den Verlust des Einflusses fürchten.

Das war eine interessante Erfahrung. Wir haben erstmals einen eigenen Chef für Telekom und für das Österreich-Geschäft. Das bringt viele Diskussionen. Sie ist eine knallharte Frau, und das ist gut so. Aber jeder muss lernen, dass wir ein Team sind. Wir dürfen streiten, kämpfen, schreien – aber hinter verschlossenen Türen. Für mich existiert der Unterschied zwischen A1 und Telekom nicht: ein Konzern, eine Strategie, ein Ziel. Alles andere ist Management wie in den Achtzigern.

Wie lange wird es dauern, bis Mitarbeiter, Gewerkschaften und Eigner das so sehen?

Eine Weile, aber die Telekom ist und bleibt österreichisch. Nicht, weil der Staat einen Anteil hält, sondern weil sie ihre Zentrale hier hat – und haben wird. Die Mexikaner schicken nur einen einzigen Mann – mich. Sonst vertrauen sie lokalen Managern. Die gut bezahlten Jobs werden in Österreich bleiben.

Wird dieses Vertrauen in anderen Ländern mehr geschätzt?

Es ist schwierig, etwas wertzuschätzen, wenn man nichts anderes kennt. Hätte AT&T die Telekom übernommen, säßen 250 Texaner hier und alle Entscheidungen würden in Dallas fallen. Bei uns bleibt die Macht in den Ländern. Das schätzt Österreich zu wenig.

Ziel ist, zu einem relevanten Spieler in Europa zu wachsen. Wo sind die Hürden?

Das größte Problem sind die 200 Anbieter in Europa. Das kann nicht gut gehen. In den USA sind es fünf, in China drei, in Indien vier. Wir müssen konsolidieren. In Brüssel verstehen sie das nicht.

Wie viel Zeit haben Sie für den Umbau?

Als wir bei der Telekom eingestiegen sind, war sie in sehr schlechter Verfassung. Die Schulden waren hoch, die Produktivität niedrig. Carlos (Slim, Anm.) hat zu mir gesagt, wir müssen das Unternehmen aus der Notaufnahme holen. Ist die Transformation vorbei? Nein. Aber wir sind aus der Notaufnahme.

Denken Sie, dass Sie auch nach dem Umbau Telekom-Chef bleiben werden?

Ich werde hier sein.

ZUR PERSON

Alejandro Plater wurde 1967 in Argentinien geboren und studierte Betriebswirtschaft in Buenos Aires. Nach Postgraduates an der Columbia University und der Wharton School sowie der London Business School begann er seine Laufbahn 1991 als Risikoanalyst bei Sud America Seguros. 1997 wechselte er zu Ericsson, wo er etliche Managementfunktionen bekleidete. Seit August 2015 ist Plater Chef der Telekom Austria und vertritt den Mehrheitsaktionär America Movil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)

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