Roms Müll landet in Österreich

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ITALY-ROME-WASTEAPA/AFP/ALBERTO PIZZOLI
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Die Ewige Stadt erstickt im Müll und ruft Österreich um Hilfe. 2015 entsorgte Italien hier 160.000 Tonnen Abfall. Das könne den Preis auch für Österreicher treiben, so Kritiker.

Rom/Wien. Die Straßen im römischen Viertel Esquilin sind sauber. Jeden Sonntag treffen sich die Anrainer hier, um die Gassen und Plätze in Eigenregie vom Unrat zu befreien. Auf den kommunalen Abfallentsorger AMA verlassen sie sich nicht mehr. Aus gutem Grund. In weiten Teilen der Ewigen Stadt türmt sich der Abfall. Überfüllte Deponien, Ineffizienz, Vetternwirtschaft und mafiöse Strukturen lassen die Müllkrise in Italien eskalieren. Da hilft es auch wenig, dass die italienische Antikorruptionsbehörde Anac Untersuchungen gegen den städtischen Abfallentsorger eingeleitet hat, weil die Situation in der Touristenmetropole langsam, aber sicher entgleitet.

Die Müllkrise setzt auch die neue Bürgermeisterin der Stadt, Virginia Raggi, unter Druck. Ihre Partei, die rechtslastige Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo, trat mit dem Versprechen an, alles anders zu machen als die etablierten Großparteien. Vor allem: der Misswirtschaft im Geschäft mit dem Müll endlich einen Riegel vorzuschieben und den Straßen Roms ihren Glanz zurückzugeben. Doch Raggi stößt auf vehementen Widerstand der etablierten Parteien sowie der kommunalen Betriebe. Es ist wohl kein Zufall, dass die Müllberge in ihrem Heimatviertel Borgata Ottavia besonders hoch sind. Der Plan, Roms Müll auf Italien zu verteilen, scheiterte am Widerstand aus den Regionen. Nun soll Österreich helfen.

Italiener zahlen oft höhere Preise

Die 38-jährige Anwältin will den römischen Müll in Österreich und Deutschland entsorgen lassen, berichten lokale Medien. Die beiden Länder hätten „30 Tage Zeit für eine Antwort“, wird der für Umweltfragen zuständige Stadtrat Mauro Buschini zitiert. Im österreichischen Umweltministerium hat man von einem derartigen Ansuchen noch nichts gehört. Prinzipiell sei die Einfuhr von Siedlungsabfällen jedoch möglich, wenn gewisse Bedingungen erfüllt würden, heißt es auf Anfrage. Es ist auch keine Seltenheit.

Von den vier Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen, die jährlich in Österreich entsorgt werden, stammen rund 200.000 Tonnen aus dem Ausland. Den Löwenanteil steuert mit 160.000 Tonnen schon bisher Italien bei, bestätigt das Ministerium.

Aber auch aus Slowenien und selbst aus Deutschland landen Müllberge auf den heimischen Deponien. Voraussetzung ist, dass der ausländische Abfall eine schriftliche Notifizierung des Umweltministeriums erhält. Diese stehe im konkreten Fall noch aus, heißt es.

Für die heimischen Entsorgungsunternehmen sei das Geschäft mit dem importierten Müll ein lukratives, sagt Hans Roth, Präsident des Verbandes der Österreichischen Entsorgungsbetriebe. Denn oftmals seien die ausländischen Kunden aufgrund ihrer Notlage bereit, deutlich höhere Preise zu bezahlen, als in Österreich üblich seien. Der Chef des steirischen Saubermacher-Betriebs tritt zwar grundsätzlich für den grenzüberschreitenden Verkehr von Abfall in Europa ein, mahnt jedoch ein gewisses „Augenmaß bei der Notifizierung“ ein. Denn „wenn Rom jeden Preis bezahlt, dann werden auch die Preise in Österreich anziehen“, warnt er gegenüber der „Presse“. Über Umwege könnte so die italienische Müllmisere letztlich die heimischen Bürger treffen.

Im heimischen Umweltministerium sieht man diese Gefahr nicht. Die Notifizierung werde nur dann erteilt, wenn sichergestellt sei, dass es „zu keinen nachteiligen Auswirkungen auf die Abfallentsorgung im Inland“ kommt, betont eine Sprecherin. Das bedeute vor allem, dass nur dann ausländischer Siedlungsabfall über die Grenzen darf, wenn es ausreichend Kapazitäten in den heimischen Deponien und Müllverbrennungsanlagen gebe.

Konkrete Daten über die Auslastung der großen kommunalen Entsorger ließen sich am Freitagnachmittag nicht eruieren. Aber zumindest in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich soll es dem Vernehmen nach noch freie Kapazitäten geben. Gut möglich also, dass die Müllberge aus Rom schon bald die Wohnungen in Wien wärmen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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