Jetzt arbeiten wir in die eigene Tasche

Symbolbild Arbeitnehmerveranlagung
Symbolbild Arbeitnehmerveranlagung(c) Michaela Bruckberger
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Trotz Steuerreform hat sich der Tax Freedom Day nicht verschoben. Die Wirtschaft fordert deshalb von der Regierung nachhaltige Reformen.

Wien. Am Sonntag ist es wieder soweit: Da ist Tax Freedom Day – ab diesem Tag arbeiten die Österreicher in die eigene Tasche. Davor hat jeder Steuerzahler seit Jahresanfang nur für den Fiskus gearbeitet. Wirtschaft und Industrie sehen in dem Datum, das alljährlich vom liberalen Austrian Economics Center eruiert wird, keinen Grund zum Jubeln. Der Steuerbefreiungstag fällt zwar auf dasselbe Datum wie im Vorjahr, aber wegen des Schaltjahres dauerte es einen Tag länger – trotz Steuerreform. Vor 40 Jahren war es der 23. Juni.

„Die Steuerreform ist komplett fehlgeschlagen“, lautet denn auch die Schlussfolgerung der Jungen Industrie. Mit 44 Prozent habe Österreich die fünfthöchste Steuer- und Abgabenquote weltweit, kritisiert deren Bundesvorsitzende, Therese Niss. Die Regierung müsse aus dem „standortpolitischen Dornröschenschlaf“ erwachen und strukturelle Reformen angehen.

In dasselbe Horn stößt ihr Kollege von der Jungen Wirtschaft, Herbert Rohrmair-Lewis. Er verweist darauf, dass Österreich mit einer Lohnnebenkostenquote von 49,5 Prozent den zweithöchsten Wert aller OECD-Staaten aufweise.

Beide glauben, dass die Steuerreform durch die kalte Progression wieder verpufft. Im ersten Halbjahr sanken die Steuereinnahmen des Bundes nur um 0,7 Prozent, wobei Ausfälle bei der Lohnsteuer von rund einer Mrd. Euro durch die um 527 Mio. Euro gestiegene Umsatzsteuer und das Plus bei der Körperschaftsteuer von 216 Mio. Euro zum Teil kompensiert wurden.

Wiederkehrendes Ärgernis

Während sich Unternehmen seit Langem für eine grundlegende Reform der Lohnkosten stark machen, damit den Arbeitnehmern mehr im Börsel bleibt, ohne dass die Gehälter steigen, holt die Gewerkschaft zu einem Rundumschlag gegen die „neoliberalen Ideologen“ und den von ihnen erfundenen Tax Freedom Day aus. Für Johann Kalliauer, den oberösterreichischen Arbeiterkammerpräsidenten, ist das Datum jedenfalls ein wiederkehrendes Ärgernis. Denn für die Steuern erhielten die Österreicher auch „wertvolle und großteils unverzichtbare Gegenleistungen“: Infrastruktur, Bildung, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung. Weniger Steuern bedeuteten daher auch weniger Mittel für diese sozialen Leistungen.

Was den streitbaren Gewerkschafter besonders ärgert: Er hält die Berechnungsmethode für unglaubwürdig und kritisiert, dass Steuern nur „arbeitende Menschen“ zahlen, während sich Vermögende und Konzerne aus der Verantwortung stehlen. Laut OECD würden Millionäre nur in Tschechien und der Slowakei weniger zum Steuersystem beitragen als hierzulande, betont Kalliauer.

Was der Gewerkschafter nicht sagt: Rund die Hälfte der unselbstständig Erwerbstätigen zahlt gar keine Einkommensteuer, weil ihr Gehalt unter der Verdienstgrenze liegt. (eid.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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