Merkur-Vorstand: Profitabler Onlinehandel nicht so bald absehbar

Kerstin Neumayer
Kerstin Neumayer (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kerstin Neumayer verbannte die anonyme Kühle aus den Merkur-Filialen. Die Supermarktchefin über Imagewandel, Expansionen und warum sie nicht auf Amazon warten will.

Die Presse: In Ihren zwei Jahren an der Spitze von Merkur wurde der strenge Mr. Ano Nym abgesetzt, mehr Wert auf Regionalität, Eigenmarken und Familien gelegt. Trägt das alles Ihre Handschrift?

Kerstin Neumayer: Nicht nur, aber auch. Unser Anspruch war, dass Merkur zeitgemäßer wird, stärker in die Köpfe und Herzen der Konsumenten dringt. Wir haben ein neues Markenbild entwickelt, das nicht Kühle, sondern Emotionalität ausstrahlt. Das war ein riesiges Paket und wir konnten die Früchte ernten.

Die wären?

Wir konnten unsere Umsätze 2015 um 2,7 Prozent steigern und waren damit das am stärksten wachsende Unternehmen von Rewe International (Teil des deutschen Rewe-Konzerns, der in Österreich, Osteuropa und Italien tätig ist, Anm.).

Sind Sie 2014 mit dem Vorsatz angetreten, alles umzudrehen?

Ich bin sicher mit der Erwartung geholt worden, mit meiner 20-jährigen Marketingerfahrung, die ich bei Billa erworben habe, etwas bei Merkur zu ändern. Die Dinge waren in die Jahre gekommen. Gewisse Kundengruppen hatten wir gar nicht in unseren Märkten, wie Familien und Kinder.

Mit 13.000 Produkten ist Ihr im Juni gestarteter Onlineshop umfassender, aber später am Start als jener der Rewe-Schwestern Billa und Bipa. Warum?

Wir betreiben mit Merkur Direkt seit zwölf Jahren ein Zustellservice für Geschäftskunden. Die frühere Leitung hat sich entschieden, sich darauf zu konzentrieren und einen anderen Onlineshop hintanzuhalten.

Die richtige Entscheidung?

Ich möchte nicht bewerten, ob es richtig oder falsch war. Fakt ist, dass man sich mit dem Onlinehandel auseinandersetzen muss. Das ist bei Lebensmitteln extrem aufwendig und teuer. Unsere Margen und die Erwartungshaltung des Konsumenten, tiefgekühlte Sachen in den dritten Stock ohne Lift geliefert zu bekommen, passen nicht ganz zusammen. Und wir haben keine zweite Chance: Einmal schimmelige Erdbeeren in der Lieferung und das war's. Es ist sehr schwierig, in die schwarzen Zahlen zu kommen.

Wie lang werden Sie leere Meter laufen, bis es sich rentiert?

Das ist so bald nicht absehbar. Aber die Prozesse werden von Woche zu Woche besser.

Man kann verstehen, warum Konkurrenten wie Hofer und Spar noch abwarten.

Genau. Es ist etwas anderes, ein Buch in einen Karton zu schmeißen, als Tiefkühlfisch, Erdbeeren und frische Torten zuzustellen.

Amazon liefert in Deutschland schon frische Lebensmittel. In Österreich warten alle darauf.

Natürlich nehmen wir Amazon sehr ernst. Wir glauben nicht, dass Amazon Fresh sofort in Österreich einschlägt, aber es kann durchaus sein. Dann wollen wir aufgestellt sein.

Früh dabei sein ist alles?

Online ist ein Geschäft, bei dem man enorme Lernkurven nehmen muss. Ich weiß das aus meiner Billa-Zeit. Ich habe dort den Onlineshop 1999 mit milder Duldung der Geschäftsführung mitgestartet. Unser damaliger Chef, Wolfgang Wimmer, sagte: „Sie werden sehen, das ganze Internet ist eine Modeerscheinung.“ Man kann im Vorhinein nie wissen, was funktioniert und was nicht. Ich will nicht mit dem Versuchsprogramm anfangen, wenn der Markt besetzt ist.

Und wie soll es weitergehen?

13.000 Artikel sind unser Online-Startsortiment – es soll auch um Produkte ergänzt werden, die es nicht in den Märkten gibt. Nächstes Jahr wird der Großraum Wien weiterbearbeitet. 2018 folgt die Expansion in andere Hauptstädte – die erste wäre wahrscheinlich Graz.

Zurück zur Old Economy: Wie sehen da die Pläne aus?

Wir wollen weiter in die bestehenden Filialen investieren und ihnen das neue, wärmere Erscheinungsbild eines Marktplatzes geben. Und wir werden nächstes Jahr bis zu acht neue Märkte eröffnen – teils mit kleineren Flächen als Mittelding zwischen Merkur und Billa.

Also ein Kurswechsel?

Ein Merkur-Markt hat ein sehr großes Einzugsgebiet. Ihn zu bauen und zu betreiben, ist teuer. Wenn man in kleinere Gebiete geht, kann man nicht einen 2500-Quadratmeter-Markt hinstellen. Die Rechnung geht sich nur bei weniger Fläche aus.

Geht Merkur jetzt aufs Land?

Wir gehen dorthin, wo ein kleinerer Merkur sinnvoll ist. Damit ist nicht das Land gemeint, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wir sind kein Adeg. Aber Hall in Tirol oder Oberpullendorf ginge.

Und im heiß umkämpften Wien?

Wir werden dort expandieren, wo die Stadtentwicklung stattfindet. Es gibt Potenzial, aber man kann es nicht etwa mit den USA vergleichen, wo nicht an jedem Eck ein großer Lebensmittelhändler ist.

Wenn sich die Diskonter hierzulande immer hübscher präsentieren, wird es noch enger.

Wir haben 24.000 Artikel, Hofer geschätzte 1200. Er versucht, sich eher dem Supermarktformat anzunähern. Das bringt ein positives Erlebnis beim Kunden. Aber es heißt auch, dass er mit anderen Kosten und Preisen – seiner Kerndomäne – konfrontiert ist. Ich weiß nicht, wie er das machen wird. Merkur hat es fast einfacher als Billa oder Spar, weil wir uns klarer durch die Größe positionieren können. Die müssen wir auf einer riesigen Tastatur rauf und runter spielen.

ZUR PERSON

Kerstin Neumayer (47) startete beim Rewe-Konzern im Vertrieb von Billa. Anschließend leitete sie 20 Jahre das Billa-Marketing. 2014 holte Rewe-Chef Frank Hensel sie in den Merkur-Vorstand, wo sie die Marke des Supermarkts neu erfinden sollte. Neumayer war damit eine der ersten Frauen an der Spitze eines großen österreichischen Handelsunternehmens. Nach dem Weggang ihres Vorstandskollegen Manfred Denner im Juni übernahm sie dessen Vorsitz und leitet die 130 Filialen bis kommendes Jahr interimistisch solo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

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