Arbeitsinspektor soll eher beraten als strafen

ÖVP-Chef Mitterlehner
ÖVP-Chef Mitterlehner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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ÖVP-Chef Mitterlehner legt Reformwünsche auf den Tisch: Vorschriften sollen radikal durchforstet werden, Arbeitsinspektoren eher beraten als strafen.

Wien. Eine Änderung der Gewerbeordnung hat sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner für den Herbst selbst schon als Ziel gesteckt. Gleichzeitig macht der Vizekanzler und ÖVP-Obmann in der Bundesregierung jetzt auch für eine Generalreform des Arbeitnehmerschutzes mobil. Der „Presse“ liegen die von ihm festgestellten Problempunkte und sein Forderungspaket an die SPÖ vor. Er sieht nun den zuständigen Sozialminister, Alois Stöger (SPÖ), am Zug: „Dieses Projekt sollte der Arbeitsminister dringend aufgreifen und am besten eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Wirtschaft einrichten, um praxistaugliche Lösungen zu finden.“

Anlass, dass Mitterlehner den Druck für eine Neuregelung erhöht, ist die wachsende Zahl an Beschwerden von Unternehmern über die Tätigkeit von Arbeitsinspektoren. Firmen klagen aber auch über die teils unübersichtliche Rechtslage und Bestimmungen, die aufgrund der technischen Entwicklung der Arbeitswelt bereits veraltet sind. Dazu stellt Mitterlehner im Voraus klar: „Arbeitnehmerschutz ist wichtig, aber die Wirtschaft braucht dringend praxistauglichere Regelungen.“ Davon würden letztlich die Beschäftigten und die Betriebe profitieren.

Die Hauptstoßrichtung der Pläne des Wirtschaftsministers zur Totalsanierung des Arbeitnehmerschutzes wird beim Arbeitsminister auf die meisten Bedenken stoßen. Mitterlehner drängt auf eine Änderung beim Vollzug der Bestimmungen: Die einschlägigen Gesetze müssten künftig praxistauglicher vollzogen werden. Dabei müsse das Motto gelten: „Beraten statt strafen“. Er argumentiert, die Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz seien kein Selbstzweck, sondern sollten das Schutzniveau erhöhen. Das, so bekräftigt Mitterlehner, werde „durch Beratung und Prävention besser erreicht als durch Bürokratie und Strafen“.

Beratung war zuletzt rückläufig

Nach den letzten verfügbaren Daten aus dem Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion aus dem Jahr 2014 ging die Entwicklung genau in die umgekehrte Richtung. Die Beratungstätigkeit der Arbeitsinspektoren ist von 31.638 im Jahr 2010 auf 29.160 Fälle im Jahr 2014 zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Zahl der Strafverfahren gestiegen – und zwar von 1652 auf 1853.

Der Wirtschaftsminister kritisiert, dass mittlerweile ein ganzes Konvolut an Vorschriften existiere, das sowohl Firmen als auch Arbeitsinspektoren bereits überfordere. Er verweist darauf, dass unter anderen allein das Arbeitnehmerschutzgesetz 132 Paragrafen umfasse; die Arbeitsstätten-Verordnung 48 Paragrafen; die allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung 86 Paragrafen; die Arbeitsmittelverordnung 65 Paragrafen; die Bauarbeiterschutzverordnung 164 Paragrafen; die Grenzwertverordnung weitere 34 Paragrafen; dazu kämen etwa noch Verordnungen über Sicherheitsfachkräfte oder für Bildschirmarbeit.

Änderung führte zu einer Stolperfalle

Für Mitterlehner besteht die absurde Situation, dass einerseits Vorschriften zu allgemein sind und damit keine Rechtssicherheit für die Betroffenen gegeben ist. Andererseits bestünden zu starre Vorschriften. So dürfen Rampen für Fußgänger keine größere Neigung als 1:10 haben. Für eine Stufe von 18 Zentimetern ist eine Rampenlänge von 1,80 Metern nötig. In einer Firma musste nach Aufforderung des Arbeitsinspektors eine funktionierende Rampe verlängert werden. Diese ragte dann in den Raum hinein und wurde zur Stolperfalle für Beschäftigte.

Zu unklaren Vorschriften nennt er folgendes Beispiel: In zwei Kaffeehäusern war der Arbeitsinspektor nicht mit dem Fliesenboden hinter der Schank einverstanden, weil der Untergrund „zu hart“ und „zu rutschig“ war. Es folgte die Anweisung, einen Teppich aufzulegen. Der war für den Inspektor des Marktamtes ein Hygieneproblem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

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