Designerprodukte aus dem Ländle

Dominika Szczot und Thekla Naser beraten in Wien.
Dominika Szczot und Thekla Naser beraten in Wien.(c) Stanislav Jenis
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In ihrem Shop Heimweh verkauft Sonja Ladstätter-Fussenegger selbst designte Textilien und Accessoires rund ums Wohnen. Vom Faden bis zum fertigen Gegenstand wird alles in Vorarlberg gefertigt.

„Ich habe eigentlich Fernweh, finde ich hier denn auch etwas?“ Man muss gestehen: Die Kundin, die gerade den Heimweh-Shop auf der Wiedner Hauptstraße betritt, hat sich ihre Begrüßungsworte wohl schon länger überlegt. Und natürlich wird sie auch ohne die Sehnsucht nach der Heimat in dem Laden voller Decken, Pölster, Accessoires und Dekoprodukten fündig werden. Vom Hundenapf bis zum Kochlöffel wird hier alles rund ums Wohnen in edlem Design verkauft – die sogenannte Fussenegger-Kollektion. Wie aus dieser Bezeichnung hervorgeht, steckt hinter Produktgestaltung und Shopkonzeption Sonja Ladstätter-Fussenegger.

Die gebürtige Kroatin wanderte als Kind mit ihrer Familie in die Schweiz aus. Dort machte sie eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Laborassistentin. Später lernte sie in St. Gallen ihren zukünftigen Mann, einen Nachkommen des Vorarlberger Textilfabrikanten und Politikers David Fussenegger, kennen. Nachdem das Ehepaar aus der Schweiz zurückgekehrt war, war Ladstätter-Fussenegger jahrelang für die Kreationen des immer noch bestehenden Textilunternehmens David Fussenegger verantwortlich.

Im Alter von 60 Jahren, wenn andere sich bereits auf den Ruhestand freuen, beschloss sie, sich selbstständig zu machen. Sie eröffnete zwei Shops, in denen sie die von ihr selbst designten und in Vorarlberg produzierten Produkte verkauft. Alles, was zugekauft wird, ist fair gehandelt oder stammt aus sozialen Werkstätten. Ladstätter-Fusseneggers erstes Geschäft, der DF-Shop im Lagerhaus, befindet sich in Dornbirn, der Heimweh-Shop in Wien. Der Name Heimweh ist in diesem Fall also mit der Sehnsucht nach Vorarlberg verbunden. „Immerhin gibt es ja viele Vorarlberger in Wien, die Heimweh haben“, sagt die Geschäftsführerin. Sie selbst kenne das Gefühl aber nicht. „Ich bin Kosmopolitin“, sagt sie. „Ich habe mich überall, wo ich gelebt habe, schnell zu Hause gefühlt.“

Die Farbe im Grau der Stadt. Einen Shop in Wien habe sie eröffnen wollen, weil sie „das Großstädtische“ interessierte. Seit dem Jahr 2012 stehen nun schon riesige Blumentöpfe, in denen alle Arten von Kräutern wachsen, vor dem Geschäft, dessen Schaufenster bunt dekoriert sind. Zuvor befanden sich in den Räumlichkeiten ein Kiosk und ein Malergeschäft. Gleich gegenüber liegt das graue SVA-Gebäude und nebenan ein Kebab-Imbiss. In dieser Umgebung fällt Heimweh beim Vorbeigehen auf, und das gefällt Ladstätter-Fussenegger. „Man muss uns entdecken, und wer uns einmal entdeckt hat, kommt immer wieder“, sagt sie. Die Kunden wären zu einem großen Teil Stammkunden. Immer öfter würde aber auch Laufkundschaft von den bunten Schaufenstern angezogen.

Weil die Chefin selbst aber nur alle fünf bis sechs Wochen in Wien sein kann, kümmern sich Thekla Naser und Dominika Szczot um den Laden im vierten Bezirk. Die beiden stammen nicht aus Vorarlberg, sondern aus Bayern und aus Wien. „Vorarlberger sein war kein Einstellungskriterium“, erzählen sie und lachen. Tatsächlich ging es Ladstätter-Fussenegger viel mehr darum, Angestellte zu finden, die ein Gefühl für Einrichtung, Design und Dekor mitbringen. Sie ist überzeugt, mit Naser und Szczot zwei geeignete Personen gefunden zu haben. Beide kommen aus der Kreativbranche. Szczot ist eigentlich Malerin, bei Heimweh ist sie für die Schaufenstergestaltung und die richtige Anordnung aller Produkte im Verkaufsraum zuständig. Ihre Kollegin Thekla Naser war Kostümbildnerin am Theater, bevor sie begann, für Ladstätter-Fussenegger zu arbeiten. „Es ist aber gar nicht so anders“, erzählt sie. „In beiden Berufen geht es viel um das Gefühl für Design und Farben, und die Kunden schätzen die Beratung.“

Die Geschäftsführerin ist stolz auf ihr Team. Sie habe sofort gespürt, dass die beiden Frauen auch in ihrer Abwesenheit alles im Griff haben würden. Geschmack habe aber nicht jeder. Durch Sehen und Angreifen müsse man ihn erst lernen. Ladstätter-Fussenegger selbst kommt aus einer Künstlerfamilie, ihre Mutter und ihr Bruder sind bildende Künstler, das richtige Gespür für Farben und Formen wurde ihr gewissermaßen vererbt. „Es ist erstaunlich, was man in einem Raum allein mit Kissen und Decken alles verändern kann“, sagt sie. Auch Dominika Szczot weiß das. Fünfmal im Jahr erscheint eine neue Kollektion, mindestens fünfmal im Jahr dekoriert sie den Heimweh-Shop also komplett um. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und braucht besonderes Feingefühl. „Oft fängt es mit einem Stück an, von dem man ausgeht, und dann platziert man Schritt für Schritt alles andere herum“, erzählt sie.

Der Zauber und die Kunst des Einrichtens, da ist man sich bei Heimweh einig, liegen in der Anordnung und Kombination der Gegenstände. Obwohl die Chefin ihrem Verkaufs- und Designteam meist freie Hand lässt, ist auch oder gerade die Textilbranche aber immer wieder wechselnden Trends unterworfen. „Vor Kurzem sind alle auf die Skandinavier abgefahren, jetzt haben wir eine Art modernisierten Ethno. Die Menschen wollen einfach Abwechslung, sie mögen es nicht so uniform“, erklärt Ladstätter-Fussenegger. Aus diesem Grund setzt sie bei Heimweh auf eine Mischung unterschiedlicher Stile. „Man kann nicht immer nur brav das machen, was alle anderen machen“, meint sie.

Zeit für ein neues Projekt. Neben der Kollektion mit Produkten für Kinder und Erwachsene gibt es bei Heimweh auch einen Fabriksverkauf. Einzelstücke, Mangelware oder ungenähte Decken sind zu günstigen Preisen zu haben. Aber auch abseits des Fabrikverkaufs sind die Preise im Vergleich zu anderen Designerprodukten recht human. Eine Decke kostet beispielsweise zwischen 30 und 60 Euro.

Die Verkaufszahlen geben dem Konzept der 63-Jährigen recht. Und das, obwohl sie sich mit einem Trend so gar nicht anfreunden kann: dem Online-Verkauf – zu sehr schätzt sie den direkten Kontakt mit den Kunden. Als sie ihre Shops eröffnete, war sie zunächst nicht sicher, ob sie mit ihrem Konzept erfolgreich sein würde. „Ich bin gleichzeitig Pensionistin und Jungunternehmerin“, sagt sie. Dass sie nicht wirklich in Pension gegangen ist, sondern zwischen Wien und Vorarlberg hin und her pendelt, hat sie nie bereut, immerhin hätten ihr Team und sie nun die Freiheit, so zu arbeiten und zu designen, wie sie selbst wollen.

Neben den beiden Shops hat Ladstätter-Fussenegger auch das 4 Stuben Haus ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein voll eingerichtetes Gästehaus im Zentrum von Dornbirn, das Design-Liebhaber auf Zeit mieten können und mit dem die Besitzerin ein Zeichen setzen möchte: für mehr Geschmack und Gemütlichkeit.

Weil sie aber nicht so recht stillsitzen kann, ist auch das nächste Projekt der Wahlvorarlbergerin bereits in Planung: In einem Olivenhain auf einer kroatischen Insel möchte sie eine Hütte mit ihren Designs einrichten. Die Idee entstand erst vor Kurzem, als sie den Einheimischen bei der Olivenernte half.

Keine Spur von Langeweile. Zeit, ein gemütliches Pensionistendasein zu führen, bleibt bei alldem kaum. Doch es gibt Ausnahmen. Zwei ihrer drei Kinder haben ebenfalls einen künstlerischen Lebensweg eingeschlagen und arbeiten als klassische Musiker. Zu ihren Konzerten reist die Mutter besonders gern an. Aber auch, wenn die eigenen Kinder nicht mitwirken, bei ihren Wien-Aufenthalten ist der Besuch eines Konzertes immer ein Fixpunkt.

Über Heimweh

Der Shop in Wien wurde 2012 eröffnet. In Dornbirn gibt es zusätzlich den DF-Shop im Lagerhaus, in dem ebenfalls die sogenannte Fussenegger-Kollektion verkauft wird.

Sonja Ladstätter-Fusseneggerstammt ursprünglich aus Split in Kroatien. Seit über 30 Jahren lebt sie in Vorarlberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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