Tourismus: Die Rückkehr der Sommerfrische

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Während Amerikaner und Asiaten Europa als einen einzigen Krisenherd betrachten und eher meiden, kommt Österreichs Sommertourismus dank einheimischer und deutscher Nahurlauber an die Rekorde der frühen Neunziger heran.

Wien. Wären Sie nach den Anschlägen von 9/11 ohne Bauchweh nach San Francisco gereist? Die Antwort gibt sich Petra Nocker-Schwarzenbacher selbst: „Nein.“ Genauso verhalte es sich laut der Tourismusobfrau der Wirtschaftskammer nun in die umgekehrte Richtung: „Die Amerikaner differenzieren nicht zwischen Nizza, Brüssel und Österreich. Good old Europe ist für sie eine Urlaubsdestination.“

2,5 Prozent weniger US-amerikanische Gäste nächtigten diesen Sommer in Österreichs Pensionen, Hotels und Ferienwohnungen. Kein markanter Rückgang – aber in einem Sommer, der es zur Saisonmitte mit 34,3 Millionen Nächtigungen und 11,2 Millionen Ankünften auf Spitzenwerte wie zu Beginn der Neunziger bringt, doch beachtlich (siehe Grafik). „Die Sommerfrische ist zurück“, konstatiert Michaela Reitterer, die Präsidentin der österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), angesichts des inländischen Gästeplus von 5,2 Prozent im Zeitraum Mai bis Juli. „Mittlerweile ist es fast wieder fesch, in Österreich zu bleiben.“

Die Fernen bleiben fern

Der heimische Tourismus ist in diesem Sommer deutlich mit den zweischneidigen Folgen der Terrorangst konfrontiert: Besucher aus Fernmärkten wie den USA oder Asien bleiben tendenziell weg, weil sie Anschläge auch hierzulande fürchten. Gäste aus den Nachbarländern und Einheimische vermuten sie hingegen überall sonst – und kommen beziehungsweise bleiben an den österreichischen Badeseen und auf den Berggipfeln. Allein im Juli empfingen Tirol, Kärnten, Salzburg und die Steiermark jeweils mindestens zehn Prozent mehr ausländische Gäste als im Vorjahr – und teils fast ein Viertel mehr Österreicher.

Deutlich zeigt sich der Trend zum kurzfristigen Reisen in die sicher empfundene Nähe auch am Beispiel des deutschen Gastes: In der ersten Sommerhälfte füllten die Deutschen mehr als ein Drittel der 34 Millionen Betten. „Der Grund ist einfach. Ihnen sind mit der Türkei, Tunesien und Ägypten drei große Tourismusdestinationen weggefallen“, sagt Reitterer.

Dabei ist allen Akteuren der Branche eine Klarstellung wichtig. „Sicherheit ist kein Thema, das wir aktiv im Marketing verwenden“, formuliert es die Sprecherin der Österreich Werbung, Ulrike Rauch-Keschmann. „Wir wollen nicht auf die Schwächen der anderen setzen.“ Österreichs Tourismusagentur buhlt gerade äußerst aktiv um die Gewinnung neuer Kunden aus China, Südkorea und der Türkei. Aber wenn kommende Woche Vertreter der dortigen Reisebüros und Zeitungen mit diesem Ziel zu den heimischen Sehenswürdigkeiten gefahren werden, wird das Thema Sicherheit nur „reaktiv“ behandelt werden, betont Rauch-Keschmann. Sprich: „Bei Anfragen weisen wir darauf hin, dass es keine konkrete Gefahr gibt.“

Auch will man in der Branche nicht gelten lassen, dass die Wiederannäherung an die Ergebnisse der frühen Neunziger allein auf der Krisenstimmung ringsum fußt. Das wäre auch nicht richtig: Die Nächtigungszahlen der Statistik Austria zeigen, dass die Rückkehr der heimischen Sommerfrischler 2004 eingesetzt hat und der Rekord der Saisonhalbzeit heute viel mehr als noch 1990 auf der Inlandsnachfrage beruht.

Mehr Umsatz, mehr Gewinn?

„Die Unsicherheit kommt uns zugute, sie ist aber nicht der Schlüssel“, sagt Nocker-Schwarzenbacher. Wie ihre Kollegen ist sie um ein Zurechtrücken des Bildes bemüht. Und wie diese reagiert sie auf den Jubel der Politik über die am Montag veröffentlichten Tourismuszahlen zurückhaltend. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner lobte den Tourismus in einer Aussendung als „Konjukturstütze und wichtigen Arbeitgeber, vor allem in ländlichen Regionen“. Dem gegenüber zeichnet die WKO-Tourismusobfrau das Bild einer „ständig getriebenen Branche“. Man ringe mit Lohnnebenkosten von 40 Prozent, Buchungsplattformen, die mindestens zwölf Prozent Umsatz abfischen, und der auf 13 Prozent erhöhten Umsatzsteuer. „Unsere Margen liegen bei ein bis zwei Prozent – da darf nichts passieren. Wir können nicht abwandern, aber zusperren können wir schon.“

ÖHV-Präsidentin Reitterer will erst gegen Jahresende nach Eintreffen der Nettogewinnzahlen sagen, wie sehr sich die Steuererhöhung niedergeschlagen hat. „Der Nächtigungsrekord heißt jedenfalls nicht, dass den Hoteliers mehr im Börserl bleibt.“ Sie lasse die Aussendung des Ministers einmal so stehen und bedanke sich für das Lob. Doch auch sie ergänzt: „Es schwingt hier immer ein bisschen die Angst mit, dass sie uns nochmals in die Kasse greifen.“

Auf einen Blick

Zur Sommerhalbzeit (Mai bis Juli) weist Österreichs Tourismus ein Nächtigungsplus von 3,7 Prozent auf 34,3 Millionen auf. Zeitgleich stiegen die Ankunftszahlen auf 11,2 Millionen (+4,2 Prozent). Damit kommt der bisherige Sommer an die Ergebnisse der frühen 1990er heran, als man Nächtigungszahlen von mehr als 36 Millionen verzeichnete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2016)

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