Goldgräberstimmung in Altenpflege

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THEMENBILD: ALTENPFLEGE(c) APA (Barbara Gindl)
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Viele Agenturen vermitteln 24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa. Zwar wurden die gesetzlichen Regeln verschärft. Doch nur wenige Anbieter halten sich daran.

Wien. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig wächst so stark wie die 24-Stunden-Betreuung für pflegebedürftige und alte Menschen. In den vergangenen Jahren schoss die Zahl der Agenturen, die 24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa an österreichische Privathaushalte vermitteln, in die Höhe. Um den Wildwuchs einzudämmen, gelten seit Jahresbeginn strengere gesetzliche Regeln. „Doch die wenigsten Anbieter halten sich daran. Und es gibt auch keine Kontrollen“, kritisiert Christian H. Elsner, Geschäftsführer der Firma Elsner Pflege, im „Presse“-Gespräch. Sein Unternehmen gehört in der 24-Stunden-Betreuung zu den führenden Anbietern.

Elsner schätzt, dass es in Österreich 700 bis 1000 Agenturen gibt. „In der Branche herrscht Goldgräberstimmung. Denn es ist ziemlich einfach, eine solche Agentur zu gründen“, so Elsner.

Die Unternehmen unterbieten einander mit Dumpingpreisen. Doch die Qualität bleibt teilweise auf der Strecke. Bei Schwierigkeiten macht sich die Agentur schnell aus dem Staub.

Laut Elsner sieht das Gesetz unter anderem vor, dass es künftig keine All-inclusive-Preise mehr geben darf. Trotzdem werben Firmen nach wie vor mit All-inclusive-Preisen wie beispielsweise 45 Euro pro Tag. „Rund die Hälfte der Anbieter hält sich nicht an das Gesetz“, sagt Elsner.

Das Problem bei All-inclusive-Preisen ist, dass Kunden nicht sehen, wie viel Geld beispielsweise die osteuropäische Betreuerin bekommt und wie viel die Agentur kassiert. Gerade die hohen Vermittlungsprovisionen für Agenturen sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Kritik.

Daher müssen laut Gesetz sämtliche Kosten genau aufgeschlüsselt werden. Dazu gehören neben der Vermittlungsgebühr die Sozialversicherung für die Betreuerinnen und die Fahrtkosten nach Osteuropa. Weiters sieht das Gesetz vor, dass Vertreter der Agenturen zuerst den Betreuungsbedarf der pflegebedürftigen Person und die Situation vor Ort erheben müssen. Laut Elsner geht bei diesem Punkt ein Großteil der osteuropäischen Agenturen nicht gesetzeskonform vor. Der Gesetzesbruch werde stillschweigend toleriert, ärgert sich der Unternehmer. „Denn ohne die Betreuerinnen aus Osteuropa ist in Österreich die Altenpflege kaum noch zu bewältigen.“

Offiziell sind rund 58.000 aktive Personenbetreuerinnen registriert. Die meisten kommen aus der Slowakei, gefolgt von Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Laut Elsner dürfte es daneben eine hohe Anzahl von schwarz arbeitenden Betreuerinnen geben. Dies dürfte vor allem in grenznahen Regionen wie im Burgenland und in Niederösterreich der Fall sein.

Mangels Kontrollen ist ein blühender Wirtschaftszweig entstanden. Dabei ersparen sich nicht nur die alten Menschen beziehungsweise deren Angehörigen, sondern auch der Staat viel Geld. So werden in Österreich 72.000 Altersheimplätze gezählt. Die Zahl stagniert, weil die alten Menschen lieber eine günstige 24-Stunden-Betreuung haben wollen.

Ein Altersheimplatz kostet rund 3500 Euro monatlich. Die 24-Stunden-Pflege ist für die Betroffenen um die Hälfte billiger, wenn man auch die staatliche Förderung berücksichtigt.

Gute Betreuerinnen gesucht

Allerdings wird es immer schwieriger, geeignetes Personal aus Osteuropa zu finden. Elsner ist österreichweit tätig und vermittelt ausschließlich Betreuerinnen aus Rumänien und Bulgarien. Denn die Slowakinnen wollen vorwiegend in Ostösterreich arbeiten, sagt Elsner.

Bei der 24-Stunden-Betreuung wird ein alter Mensch meist von zwei Frauen betreut. Sind es Slowakinnen, wechseln diese einander im Zwei-Wochen-Rhythmus ab. Da bei Frauen aus Rumänien die Anfahrtswege länger sind, gibt es hier einen Vier-Wochen-Rhythmus. Elsner hat sich bereits in der Ukraine nach Betreuerinnen umgesehen. Doch es ist schwierig, für sie ein Visum zu bekommen.

Nun streckt Elsner seine Fühler nach Moldawien aus. Denn viele Frauen in Moldawien haben einen rumänischen Pass und dürfen daher in Österreich arbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2016)

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