Schwierige Lehrlingssuche: "Stadt stärker betroffen als Land"

(c) Clemens Fabry
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Problemgruppen seien in den heimischen Ballungsräumen laut Wirtschaftskammer überrepräsentiert. Zudem herrsche ein starker Trend zu höherer Schulausbildung.

Zum Start des neuen Ausbildungsjahres sind in Deutschland 172.224 Plätze noch unbesetzt geblieben. DIHK-Präsident Eric Schweitzer formulierte diese Meldung positiv: "Jugendliche Lehrstellenbewerber haben in diesem Jahr allerbeste Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden". Ähnlich verhält sich die Situation derzeit in Österreich, selbst wenn keine konkreten Zahlen vorliegen, sagte Alfred Freundlinger von der Abteilung Bildungspolitik bei der Wirtschaftskammer Österreich zur „Presse“.  Auch österreichische Unternehmen müssen sich mit dem wachsenden Problem auseinandersetzen, Lehrstellen zu besetzen.

Die Gründe für diese Situation seien vielschichtig, sagt Freundlinger. Aufgrund der Demografie gebe es bei den Jugendlichen zahlreiche geburtenschwache Jahrgänge. Zudem sei das Problem der Besetzung von offenen Lehrstellen ungleich über ganz Österreich verteilt. „Ballungsräume, hier vor allem die Großstadt Wien, sind von den Lehrlingssorgen wesentlich stärker betroffen als Landregionen“, so Freundlinger. "Problemgruppen wie schlecht ausgebildete Schulabgänger und Jugendliche mit Migrationshintergrund  sind in den Zentren überrepräsentiert." Die Bewerber für eine Lehrstelle sollen lesen, schreiben und rechnen können - das sei nicht immer gegeben. Leider würden verpflichtende Standards für den Abschluss der neunjährigen Schulpflicht fehlen.

Trend zu höherer Schulausbildung

Auch sei die Wirtschaft in den Ballungsräumen anders strukturiert. Hier würden vor allem Dienstleistungsbetriebe Lehrlinge suchen, während in den ländlichen Regionen Industrie, Gewerbe und auch Tourismus stärker vertreten sind.

Laut dem WKÖ-Bildungsexperten drängen auch immer mehr Jugendliche in eine höhere Schulausbildung. Es bestehe ein massiver Trend in der Bildungshierachie, eine höhere akademische Ausbildung werde von vielen als immer erstrebenswerter erachtet. Dass dementsprechend die Dropout-Zahlen an den Schulen ansteigen, verursache auch kein Umdenken bei der Politik. „Die Berufsorientierung an den Schulen muss professionalisiert werden“, sagt Freundlinger. Aber die Unterrichtenden an den Schulen hätten Interesse die Jugendlichen an den Schulen zu halten. Denn trotz geburtenschwacher Jahrgänge müssen die Schulkontingente weiter gefüllt werden. Eine Konsequenz dieses Verhaltens seien die schwachen Pisa-Ergebnisse, so WKÖ-Experte Freundlinger. Auch die Eltern, die oftmals fixe Vorstellungen von der beruflichen Zukunft ihrer Kindern haben, würden bei der Problematik eine große Rolle spielen.

Unterschiede bei den Lehrlingsgehältern

Die Aufwandsentschädigung, so heißt das Einkommen der Lehrlinge, spiele laut Kammer keine große Rolle, obwohl es zwischen den Branchen schon wesentliche Unterschiede gibt. Während in der Mineralölindustrie 1518 Euro im vierten Lehrjahr bezahlt werden, erhält ein Lehrling bei einem Wiener Gartenbaubetrieb 751 Euro im letzten Lehrjahr. Auch die Gemeinnützige Wohnungswirtschaft bezahlt mit 1253 Euro im dritten Ausbildungsjahr mehr als das Holzbaugewerbe, wo eine Bürokauffrau 854 Euro erhält. Dazwischen liegt der allgemein Einzelhandel, der Lehrlingen knapp 1000 Euro im Abschlussjahr entrichtet.

Wie dramatisch die Situation derzeit ist, zeigt die Tatsache, dass selbst einzelne Großkonzerne im Handel, die für intensive Werbung bekannt sind, Probleme haben, die Lehrstellen aufzufüllen. "Der Rückgang wird sich in den kommenden Jahren zwar einbremsen, der Negativsaldo wird jedoch auch weiterhin nicht ausgeglichen werden können“, sieht Freundlinger nicht allzu optimistisch in die Zukunft.

(red.)

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