Wifo-Chef Aiginger „Österreich ist nicht reif für weniger Wachstum“

Wifo-Chef Aiginger
Wifo-Chef Aiginger(c) APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Der Medienstar. Im vergangenen Jahr als Wifo-Chef war Karl Aiginger in den Medien omnipräsent. Seine Zukunft widmet er Europa statt Österreich.

Wien. Kein anderer österreichischer Wirtschaftsforscher füllte in den vergangenen Monaten so viele Zeitungsseiten und Sendeminuten wie er: Karl Aiginger. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurde der ehemalige Chef des Wifo mehr als dreimal so oft mit seiner Einschätzung zitiert wie der zweitplatzierte Friedrich Schneider von der Universität Linz. Seit 1. September fällt der „Amtsbonus“ weg. Karl Aiginger hat sich von der Spitze des Wifo zurückgezogen und beschäftigt sich nunmehr als Leiter der neu gegründeten „Querdenkerplattform: Wien – Europa“.
Damit sollte der Grundstein gelegt sein, dass der Liebling der Medien auch künftig in Rankings wie diesem noch einen Platz haben wird. Das Thema Österreich will der Industrieökonom in den nächsten Monaten zwar etwas ausklammern, um seinem Nachfolger beim Wifo nicht die Bühne zu stehlen. Aber auch Aigingers neue Spielwiese, die europäische Wirtschaftspolitik, bietet genügend Raum für schöne Zitate.

Im Zweifelsfall Optimist

So wie etwa dieses: „Es könnte sein, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Europas wird“, sagt der unerschütterliche Optimist Karl Aiginger mitten in einer Zeit, in der die hohe Zuwanderung und Abspaltungsbestrebungen Großbritanniens die EU vor ihre schwerste Belastungsprobe stellen. Dennoch sei das europäische Modell das beste für reiche Gesellschaften, betont er. Nur verkauft werde es eben zu schlecht. Gegenüber anderen Ländern und gegenüber der Bevölkerung.
So sei es etwa auch falsch, Fortschritt in saturierten Gesellschaften nur an immer mehr Wirtschaftsleistung festzumachen. Ein wachsendes BIP allein mache noch niemanden glücklicher, sagt der Wirtschaftsforscher. „Wir brauchen ein breiteres Erfolgsmaß und schlagen dafür die steigende Lebensqualität vor.“
Manche europäische Länder, etwa Österreich, seien aber für ein niedrigeres Wachstum noch nicht bereit. Zu schwer würden Altlasten wie steigende Arbeitslosigkeit, hohe Staatsschulden und ungleich verteilte Einkommen auf dem Rücken dieser Gesellschaften lasten. Sein Lösungsansatz: eine staatliche Ausgabenbremse und der radikale Umbau des Steuersystems, der Arbeiten billiger und dafür Rauchen, Trinken und Autofahren teurer machen soll. In Österreich ist die Politik diesen (oft vorgebrachten) Forderungen Aigingers bis dato nicht gefolgt. Ganz egal, wie oft die Medien ihn damit zitierten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

President of the Austrian Fiscal Advisory Council Felderer addresses a news conference in Vienna
Österreich

Felderer: „Die Steuerschraube ist jetzt schon deutlich überdreht“

Der Politikliebling. Das Steuersystem in Österreich gehöre dringend reformiert, sagt Bernhard Felderer: „Wir haben eine verrückte Besteuerung.“

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.