Die Rückkehr der Millionärssteuer

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SPÖ-Chef Christian Kern will das Steuersystem umbauen. Damit wird auch eine Steuer auf Vermögen über eine Million Euro und eine Erbschaftssteuer wieder aktuell. Wie sehen die verschiedenen Modelle aus?

Wien. In den 1970er-Jahren war es kein Spaß, in Großbritannien gut zu verdienen. Der Spitzensteuersatz, der ab einem Jahreseinkommen von 20.000 Pfund galt (entspricht heute ungefähr 190.000 Pfund), lag bei 83 Prozent. Für Dividenden und Einnahmen aus Investments gab es noch einmal einen Aufschlag von 15 Prozent. Im schlimmsten Fall blieben einem von einem hohen Einkommen also gerade einmal zwei Prozent, 98 Prozent kassierte der Staat (Margaret Thatcher kürzte den Spitzensteuersatz nach ihrer Wahl zur Premierministerin 1979 auf 60 Prozent, 1988 auf 40 Prozent).

Im Vergleich dazu sind die aktuellen Spitzensteuersätze in Österreich geradezu ein Geschenk, auch wenn der Staat ordentlich zulangt. Ab 60.000 Euro Jahreseinkommen sind 48 Prozent Steuer fällig, ab 90.000 Euro nimmt der Staat bereits die Hälfte, und wer mehr als eine Million pro Jahr verdient, bezahlt sogar 55 Prozent (befristet bis 2020). Diese 55 Prozent waren ein Zugeständnis an die SPÖ, die bei den Verhandlungen über die Steuerreform ursprünglich auf eine Reichensteuer sowie eine Erbschafts- und Schenkungssteuer gedrängt hatte. Beide sollten ab einer Million Euro pro Jahr gelten, doch die ÖVP legte sich quer.

Seit SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern jedoch davon sprach, das Steuersystem in Österreich umzubauen („Die Presse“ berichtete in der Montagsausgabe), sind diese Steuerideen wieder aktuell. „Natürlich wird es auch wieder um eine Erbschaftssteuer und um eine Millionärssteuer gehen“, meinte ein hochrangiger SPÖ-Mitarbeiter.

Gehandelt werden innerhalb der SPÖ zwei Modelle: Einmal die Reichensteuer bzw. Millionärsteuer, die jährlich auf Vermögen von mehr als einer Million Euro fällig ist. Diese Freigrenze würde auch bei einer Erbschafts- und Schenkungssteuer gelten. Das andere Modell für die Erbschaftssteuer würde viel früher greifen, bereits ab 150.000 Euro. Höhere Freibeträge würde es für Erbschaften innerhalb der Familie geben.

Die Millionärssteuer war ein Prestigeprojekt des früheren SPÖ-Chefs Werner Faymann. Er wollte damit vor allem die Parteibasis bedienen. Geplant war ein progressiver Steuersatz von 0,1 bis 0,9 Prozent auf jenen Vermögensanteil, der über dem Freibetrag von einer Million Euro liegt. Einbezogen wäre aller Besitz außer Hausrat – also Immobilien, Autos, Schmuck, Kunstsammlungen.

Eine exakte Staffelung nannte die SPÖ nicht, sie rechnete aber mit einem durchschnittlichen Steuersatz von 0,5 Prozent. Das ergab jährliche Einnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Die Partei bezog sich für die Berechnung auf eine Studie der Universität Linz, die auf 80.000 Österreicher mit einem Vermögen von 390 Milliarden Euro kam. Bei 0,5 Prozent wären das 1,95 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Mit 1,5 Mrd. Euro rechne man also konservativ, meinte der damalige Kanzleramtsminister, Josef Ostermayer, im Juni 2014.

ÖVP: Zahlen sind unrealistisch

Die Volkspartei bezeichnete diese Rechnung dagegen als „völlig unrealistisch“. Experten des ÖVP-geführten Finanzministeriums rechneten damals interne Zahlen hoch und kamen auf Steuereinnahmen von gerade einmal 125 Millionen Euro. Ähnlich verlief die Diskussion bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die die SPÖ forderte. Das Finanzressort errechnete Einnahmen von 15 Millionen Euro pro Jahr auf Basis der Erbschaften aus dem Jahr 2007. Die SPÖ wiederum meinte, mit ihrem Modell 500 Millionen Euro pro Jahr zu lukrieren.

Auch hier hätte es für Erbschaften und Schenkungen einen Freibetrag von einer Million Euro gegeben, die großen Einnahmen hätten eine fiktive Erbschaftssteuer für Stiftungen gebracht. Das Modell: Für Stiftungen, die wesentlich im Interesse einer Familie errichtet sind, wird alle 30 Jahre ein Vermögensübertrag durch eine Erbfolge simuliert. Dafür sind zwischen sieben und 30 Prozent Steuer fällig. Diese „Erbersatzsteuer“ kann allerdings auch jährlich über den Zeitraum gestaffelt abbezahlt werden.

In Österreich liegen laut Finanzressort etwa 100 Milliarden Euro in Privatstiftungen. Nimmt man einen durchschnittlichen Steuersatz von 15 Prozent an, der alle 30 Jahre fällig ist, kommt man jährlich auf 0,5 Prozent Steuer auf das Stiftungsvermögen und damit auf die von der SPÖ angestrebte Summe.

Steuer ab Erbschaft von 150.000 Euro

Alternativ wurde innerhalb der Partei eine viel weitgehendere Erbschaft- und Schenkungsteuer diskutiert, die vor allem der Gewerkschaftsflügel forderte. Nach diesem Modell wären Steuern bereits bei Erbschaften ab 150.000 Euro fällig. Vier Prozent müsste ein Erbe außerhalb der Familie bezahlen, der Steuersatz würde bis zu 20 Prozent bei Erbschaften über zehn Millionen Euro steigen.

Innerhalb der Familie wäre eine Steuer auf Schenkungen und Erbschaften ab einer Höhe von 300.000 Euro fällig. Der Steuersatz wird dabei halbiert, er beginnt bei zwei Prozent und beträgt maximal zehn Prozent bei mehr als zehn Millionen Euro. Nach Berechnungen des ÖGB würde dieses Modell dem Staat jährlich Einnahmen von 500 Millionen Euro bescheren. Welches Modell SPÖ-Chef Kern bevorzugt, werde man im November oder Dezember sehen, heißt es aus der SPÖ. Eines ist aber schon jetzt klar: In einer Koalition mit der ÖVP ist weder die Reichen- noch die Erbschaftssteuer umsetzbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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