Neos fordern Auskunft über Umsatzsteuerlücke

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Ein „Presse“-Bericht führt zu einer parlamentarischen Anfrage an Finanzminister Hans Jörg Schelling. Die Neos wollen Aufklärung über das wahre Ausmaß des Umsatzsteuerbetrugs in Österreich.

Wien. „Die Presse am Sonntag“ berichtete, dass eine Reihe von Finanzexperten an den offiziellen Zahlen von EU-Kommission und Regierung zweifeln. Diese besagen, dass hierzulande im Jahr 2014 um 2,88 Mrd. Euro zu wenig an Umsatzsteuer abgeführt worden sei. Als Erklärung für diese Steuerlücke werden vor allem Steuerhinterziehung und Betrug angeführt.

Steuerberater Gottfried Schellmann verwies im Gespräch mit der „Presse“ allerdings auf eine österreichische Besonderheit. Hierzulande verzichte der Staat freiwillig Jahr für Jahr auf mehr als eine Milliarde an Umsatzsteuer. Für das Jahr 2014 kommt der Steuerexperte auf 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro.

Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Bauherren sind nämlich berechtigt, die Vorsteuer im vollen Umfang abzuziehen. Mieteinnahmen werden allerdings nur mit dem halben Steuersatz von zehn Prozent besteuert. Dieser Steuervorteil kommt vor allem dem sozialen Wohnbau zugute, der in Österreich traditionellerweise von den Ländern dominiert wird. Schellmann spricht in diesem Zusammenhang von einem „stillen Finanzausgleich“. Eine derartige Konstruktion gibt es in keinem anderen EU-Land.

„Unter Generalverdacht“

Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn will nun Klarheit. „Stellt sich heraus, dass die Annahmen der Steuerexperten richtig sind, dann heißt es zweierlei: Unternehmer wurden im Zuge der Steuerreform zu Unrecht unter Generalverdacht und pauschal ins Eck der Steuerhinterzieher gestellt. Gleichzeitig wackelt aber das Budget gewaltig – denn die Gegenfinanzierung der Steuerreform kann nicht halten.“

In ihrer Anfrage erinnern die Neos daran, dass sich die Regierung allein durch die Einführung der Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht eine Milliarde Euro mehr an Steuereinnahmen verspricht. Sollte die Steuerlücke allerdings nicht wie ursprünglich Angenommen 2,88 Milliarden, sondern lediglich 1,5 Milliarden Euro ausmachen, wären diese Berechnungen hinfällig, so die Neos.

Schellhorn richtet seine Anfrage übrigens nicht nur an den Finanzminister, sondern auch an die EU-Kommission.

„Ich verlange vom Finanzminister Schelling, dass er die Zahlen auf den Tisch legt. Wie hoch ist die bestehende Umsatzsteuerlücke tatsächlich – wenn man systemische Unterschiede wie aus dem sozialen Wohnbau herausrechnet?“, fordert Schellhorn und spricht von einem „doppelten Schaden – für die Unternehmerinnen und Unternehmer und für den Staat bzw. die Steuerzahlerinnen und die Steuerzahler“.

Laut EU-Kommission entgingen den EU-Staaten im Jahr 2013 insgesamt 160 Milliarden Euro an Umsatzsteuer. Die größte Steuerehrlichkeit gebe es in Skandinavien, am geringsten sei sie in Rumänien. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2016)

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