Börse Wien: „Viel kleiner kann sie nicht werden“

Das Klima für die Wiener Börse könnte besser sein.
Das Klima für die Wiener Börse könnte besser sein.(c) Bloomberg (Akos Stiller)
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Anleger-Vertreter Wilhelm Rasinger kritisiert die Regeln, die börsenotierten Unternehmen und Newcomern das Leben erschweren. Das politische Bekenntnis zum Finanzmarkt habe gefehlt.

Wien. Wilhelm Rasinger hat es nicht leicht. Als Kämpfer für die Interessen der heimischen Privatanleger ist er mit einer Kombination aus Frust, Angst, Missverständnissen und der Verteufelung von Investoren als Spekulanten konfrontiert. „Ich habe kein Verständnis für Politiker, die es fast als Qualitätszeichen sehen, keine Aktien zu haben“, sagte Rasinger am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Mit Christian Kern (SPÖ) als Bundeskanzler sehe er zwar noch keinen Paradigmenwechsel, aber „die Hoffnung stirbt zuletzt“. Kern habe „bessere Voraussetzungen als bisherige Altbundeskanzler“, denn er habe schon in einem börsenotierten Unternehmen gearbeitet. Allerdings müsse auch Kern auf verschiedene Flügel in seiner Partei Rücksicht nehmen.

Aus Rasingers Sicht fehlt in Österreich vor allem der Wille, in Bezug auf den Kapitalmarkt Veränderungen herbeizuführen. Das gelte auch für dringend notwendige Gesetzesnovellen, um börsenotierten Unternehmen und Newcomern das Leben zu erleichtern. Derzeit würde es an der Börse ja nur Abgänge und keine Neuemissionen geben. Gleichzeitig stocke die Finanzmarktaufsicht (FMA) ihr Personal permanent auf. „Wenn wir diese beiden Entwicklungen extrapolieren, können wir schon jetzt ausrechnen, wann die FMA nichts mehr zu kontrollieren hat, weil es keine börsenotierten Unternehmen mehr gibt“, konnte sich Rasinger einen Seitenhieb auf die Unmenge an Regeln nicht verkneifen.

Angst vor Strafen

Rasinger meint, die Wiener Börse nähere sich einer kritischen Größe, unter der sie nicht mehr funktionieren würde: „Viel kleiner kann sie nicht mehr werden.“ Dabei ziehen sich zunehmend mittelständische Unternehmen zurück, weil das Einhalten der vielfältigen Regeln zu aufwendig werde. Und potenzielle Neuzugänge scheuten den Zwang zur Transparenz (Ad-hoc-Pflicht) oder Strafen wegen Insidervergehens.

So seien die Regeln für den Kauf und Verkauf eigener Aktien für Vorstände so komplex, dass sich viele nicht mehr trauten, eigene Aktien zu kaufen. Auch eine Vereinfachung der Prospekte beim Börsengang oder einer Kapitalerhöhung sei erforderlich. „Das Papier liest eh keiner und fördert nur die Berater“, ätzte Rasinger. Zudem seien auch „faire Delisting-Bestimmungen“ wichtig – Regeln für einen ordnungsgemäßen Abgang.

Viele erfolgreiche Firmen seien großteils schon in ausländischer Hand – auch erfolgreiche Start-ups würden an große ausländische Unternehmen verkauft oder wanderten an ausländische Börsen ab. „Österreich droht, als Tourismusland mit Billigarbeitsplätzen übrig zu bleiben“, fürchtet Rasinger.

Das alles ist jedenfalls ein großes Aufgabenfeld für den neuen Vorstandschef der Wiener Börse, Christoph Boschan. Rasinger streut dem bisheriger Leiter der Stuttgarter Börse Rosen. Boschan bringe Auslandserfahrung mit, und die Stuttgarter Börse sei deutlich größer als die Wiener. „Ich hoffe, dass er bei den Entscheidungsträgern mehr Gehör findet als seine Vorgänger“, so Rasinger.

Am Geldmangel könne das Desinteresse an Aktien ja nicht liegen, wenn man sich die Vermögensstatistiken ansehe. „Der Sparwille ist ungebrochen, man könnte fast von Angstsparen sprechen.“ Aber trotz homöopathischer Zinsen fließe nur wenig Geld in Aktien. Änderungen der Bestimmungen könnten da einiges bewirken: So sollte es etwa einheitliche Kapitalertragsteuersätze für Spareinlagen und Wertpapiere sowie eine Begrenzung der Vermögenszuwachssteuer auf fünf bis zehn Jahre geben. Anleger, die ihre Aktien sehr lang behalten, sollten von der Besteuerung zur Gänze ausgenommen werden. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2016)

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