Wenn Maschinen selbst merken, dass sie ein Service brauchen

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Symbolbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Fill. Von der Zwei-Mann-Schlosserei zum Weltmarktführer bei Spezialmaschinen für Holz-, Metall- und Kunststoffverarbeitung.

Wien/Gurten. Es ist acht Uhr früh. Andreas Fill sitzt schon zwei Stunden im Auto. Er fährt nach Stuttgart, zur AMB, der Leitmesse der Metallbearbeitungsbranche. Dort stellt der Unternehmer das neueste Produkt aus dem Hause Fill vor: eine Werkzeugmaschine, die auf den Bedarf des Kunden maßgeschneidert ist. „Wir können auch in kleinen Losgrößen produzieren, das ist unser Vorteil gegenüber den Großen“, sagt Fill zur „Presse“.

Die neue Produktlinie geht, wie 90 Prozent der Gesamtproduktion, ins Ausland. Bei den Werkzeugmaschinen sitzen die Kunden großteils in Deutschland bzw. im restlichen Mitteleuropa. „Aber wir folgen den großen Abnehmern auch nach China.“ Dort und in Mexiko hat Fill bereits Vertriebs- und Serviceniederlassungen.

Die neuen Werkzeugmaschinen sind für den 47-Jährigen, der das von seinem Vater vor 50 Jahren gegründete Familienunternehmen groß gemacht hat, nur eine weitere Etappe in der langen Reihe an Innovationen. „Wir haben schon vor zehn Jahren über intelligente Maschinen nachgedacht – da wusste noch niemand, was Industrie 4.0 ist“, erzählt Fill. Jetzt gibt es schon intelligente Produktionsanlagen und Steuerungssysteme, die selbst wissen, wann sie ein Service brauchen.

30 Mio. für den Standort

Was kommt als Nächstes? „Dass ich eine Maschine auf dem Laptop virtuell entwickle und sie auch in Betrieb nehme, noch bevor sie bei uns gebaut wird“, erklärt der Betriebswirt, der seit dem Jahr 2000 zusammen mit Wolfgang Rathner den Betrieb mit inzwischen 700 Mitarbeitern führt. Das heißt, der Techniker programmiert die Anlage auf dem Laptop und der Kunde erhält schon bis ins Detail eine Vorstellung vom Produkt. In gar nicht so ferner Zukunft sollen die Spezialmaschinen „sich selbst erklären“ – das heißt auch von wenig geschultem Personal bedient werden können. „Fachleute können sich dann mit anderen Dingen befassen“, sagt Fill.

Gut sechs Prozent des Umsatzes, der heuer 130 Mio. Euro erreichen wird, investiert das in dem kleinen Ort Gurten im Innviertel beheimatete Unternehmen jährlich in Forschung und Entwicklung. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden 30 Mio. Euro in den Standort gesteckt. Dazu zählt auch ein neues Innovations- und Kundencenter. Und ein Kindergarten – ein Novum in dieser Region. Dass der Gewinn trotz hoher Profitabilität nicht im Gleichklang mit dem Umsatz wächst, ist nachvollziehbar, denn „wir schaffen das Wachstum ganz aus eigener Kraft“.

In Österreich investieren – das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. „Wir haben hier sehr gut ausgebildete Fachkräfte, das ist das Fundament unseres Erfolgs“, sagt Fill. Allein die vier HTL im Umkreis liefern ein unerschöpfliches Reservoir an Nachwuchs. „Wir bilden aber auch viele Lehrlinge selbst aus.“ Gut die Hälfte der Mitarbeiter hätten als Lehrlinge angefangen und seien im Betrieb aus- und weitergebildet worden.

Bürokratie schafft keine Jobs

Ist er also ein glücklicher Unternehmer? „Wenn Kanzler Kern das Wort Maschinensteuer nicht mehr in den Mund nimmt und die Kämmerer über ihren Tellerrand sehen“, lautet die prompte Antwort. Denn: Die Industrie schaffe die Arbeitsplätze, nicht die Bürokratie. Im internationalen Wettbewerb zählten nicht Überregulierung, sondern Geschwindigkeit und Flexibilität.

Diese Eigenschaften haben den von Vater Josef 1966 gegründeten Schlosserbetrieb zum international führenden Spezialmaschinenhersteller gemacht. Angefangen hat alles mit einem Auftrag der benachbarten Skifabrik Fischer für eine Maschine zur Skiproduktion. Damals waren es Holzski. „Jetzt sind wir Weltmarktführer bei Ski- und Snowboardproduktionsmaschinen, aber sie machen nur mehr zwei Prozent vom Umsatz aus“, erzählt Fill. Als die Skiproduktion stark zurückging, habe man das Know-how, mit Holz, Metall, Kunststoff und Karbon zu arbeiten, in die Autoindustrie mitgenommen. Heute sind alle Großen der Autoindustrie – von BMW über VW bis zu Daimler – der größte Abnehmer. Jeder vierte der 80 Millionen Zylinderköpfe weltweit wird auf Fill-Maschinen produziert, ebenso Fahrwerkteile und Türscharniere. Von der Autoindustrie ging es in die Luftfahrt. „Wir nehmen unsere Ideen in neue Aufgabenfelder mit und entwickeln sie weiter“, lautet Fills Erfolgsrezept. [ Robert Gortana ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2016)

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