Die SPÖ entdeckt die Unternehmer

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Das Wirtschaftsministerium arbeitet an einer Erneuerung der Gewerbeordnung. Auch die SPÖ will Selbstständigkeit erleichtern – und gleichzeitig die Privilegien der Notare abschaffen.

Wien. Die Gewerbeordnung ist ein sperriges Gebilde. Sie stammt in ihren Grundzügen aus dem Jahr 1859, hat fast 200 Seiten und gehört laut ihren Kritikern dringend grundlegend überarbeitet. Oder überhaupt „auf einem weißen Blatt Papier völlig neu geschrieben“, wie der Wifo-Ökonom Michael Böheim unlängst zur „Presse“ sagte.

Eine Reform soll jetzt auch kommen. Das Wirtschaftsministerium arbeitet an einem Gesetzesentwurf und will diesen noch im Herbst vorlegen. In Grundzügen ist die Stoßrichtung schon bekannt: Es soll nur noch einen Gewerbeschein für alle 440 freien Gewerbe geben, das Betriebsanlagenrecht soll vereinfacht und die Liste der reglementierten Gewerbe, für die eine Meisterprüfung oder eine vergleichbare Qualifikation nötig ist, evaluiert werden. Das alles unter dem Motto „Zugang zum Unternehmertum erleichtern“.

Die Federführung bei dem Projekt hat Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Aber jetzt hat auch die SPÖ die Unternehmer für sich entdeckt. Andreas Schieder, Klubobmann im Parlament, legte am Freitag Grundzüge eines „SPÖ-Konzepts für eine Entrümpelung der Gewerbeordnung“ vor. Das deckt sich weitgehend mit Mitterlehners Vorschlägen. Nur in einem Punkt dürfte man eher nicht d'accord sein. Die SPÖ will nämlich nicht nur das Berufsrecht in der Gewerbeordnung entrümpeln, sondern auch die Privilegien der „freien Berufe“ abschaffen.

Vorschlag im Oktober

Als Beispiel nannte Schieder die Notare: In Österreich sei es „sehr schwierig, eine Notariatskanzlei zu eröffnen“, außer als Erbe eines Notars oder wenn man in eine Notarsfamilie einheirate. „Viele freie Berufe heißen nur frei, sind es aber nicht wirklich.“ Schieder will den Berufszugang erleichtern, eine „Unterversorgung der Bevölkerung mit diesen Dienstleistungen“ sei eine „suboptimale Situation“.

Mit dem Wirtschaftsminister ist der Vorschlag jedenfalls nicht abgesprochen. „Das ist ein SPÖ-Konzept, das wir nur aus den Medien kennen“, so ein Sprecher. Er verweist auf die Reform der Gewerbeordnung, die voraussichtlich noch im Oktober vorgelegt werde. Die Zuständigkeit für die Notare liege im Justizministerium.

Die Notariatskammer sieht „eine alte Diskussion, die regelmäßig auftaucht“. Die Zahl der Notarstellen in Österreich ist begrenzt, derzeit sind es 500. Der Justizminister ernennt die Notare und teilt sie einem Sprengel zu. Sie dürfen aber im gesamten Bundesgebiet tätig sein, einen „Gebietsschutz“ gebe es nicht, sagt Christian Sonnweber, Geschäftsführer der Notariatskammer. Eine Ausnahme seien Verlassenschaftsverfahren.

Notare sind eher ÖVP-Klientel. Dass es sich bei dem Konzept um eine Provokation des Koalitionspartners handle, wies Schieder am Freitag aber zurück. Es sei eine Verhandlungsgrundlage, und eine Einigung sei „gut möglich“. Weitere Eckpunkte des SPÖ-Konzepts: Die soziale Absicherung von Selbstständigen soll verbessert und die Genehmigung von Betriebsanlagen vereinfacht werden. Außerdem will Schieder die Liste der reglementierten Gewerbe stark kürzen. Derzeit sind 80 Gewerbe reglementiert. Man braucht eine Meisterprüfung oder einen anderen Befähigungsnachweis, um sich in diesen Berufen selbstständig zu machen. Dazu zählen Tischler, Unternehmensberater, Zahntechniker, Textilreiniger, Elektrotechniker und Glaser. Laut Schieder sollen alle Gewerbe liberalisiert werden, die nicht „Leib, Leben oder Gesundheit“ gefährden. „Die Hälfte wäre schön.“

Kammer fürchtet um die Lehre

Wenig erfreut über die Vorschläge des SPÖ-Klubobmanns zeigte sich der ÖVP-Wirtschaftsbund. „Hier willkürlich irgendwelche Zahlen zu nennen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was das für die Qualität der österreichischen Dienstleistungen und Produkte bedeutet, ist nicht zielführend“, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. Wenn die SPÖ schon Sorge um die Unternehmer zeige, solle sie auch dementsprechend handeln und etwa bei flexiblen Arbeitszeiten einlenken anstatt fortwährend eine Arbeitszeitverkürzung zu fordern.

In dieselbe Kerbe schlägt die Wirtschaftskammer. Die Gewerbeordnung sei ein „verlässlicher Rahmen für heimisches Unternehmertum“ und werde regelmäßig angepasst. Die Kammer sieht die duale Ausbildung in Gefahr, sollte die Pflicht zur Meisterprüfung in vielen Berufen fallen. Weil dann kaum jemand mehr Lehrlinge ausbilden würde, so die Befürchtung. Die Reglementierung der Gewerbe sichere die Qualität in den heimischen Gewerbe- und Handwerksbetrieben, so Spartenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster.

Auch Schieder will die „hervorragende Berufsausbildung“ in Österreich erhalten. „Aber nicht über die Reglementierung durch Gewerbescheine. Das sind Scheinregelungen, bei denen oft keine Qualität dahintersteckt.“

AUF EINEN BLICK

Andreas Schieder, Klubobmann der SPÖ im Parlament, will die Zahl der reglementierten Gewerbe etwa um die Hälfte reduzieren. Derzeit sind in Österreich 80 Gewerbe „reglementiert“: Man braucht eine Meisterprüfung oder einen anderen Befähigungsnachweis, um sich in diesen Metiers selbstständig zu machen. Darunter fallen etwa Tischler, Zahntechniker und Textilreiniger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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