"Die Energie-Flatrate wird kommen"

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Die steigende Zahl an Konsumenten, die ihren Strom vorwiegend selbst erzeugen wollen, zwingt die Branche zum Umdenken. Künftig soll nicht mehr die verbrauchte Kilowattstunde kosten, sondern Netz und Strom pauschal bezahlt werden.

Wien. Wer noch keinen hat, wird in den kommenden Monaten wohl einen bekommen: Österreichs Haushalte werden auf digitale Stromzähler (Smart Meter) umgerüstet. Im Viertelstundentakt erhalten die Energieversorger dann exakte Daten darüber, wer wann wie viel Strom verbraucht. Was die Kunden selbst davon haben, ist jedoch noch offen. Zwar versprechen die Stromversorger die Einführung flexibler Tarife, die günstigeren Strom versprechen, wenn Kunden die Geräte erst dann einschalten, wenn zu viel Elektrizität im Netz ist. Aber glaubt man einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), dann stehen in Österreich auch ganz andere Tarifmodelle vor der Tür. „Die Energie-Flatrate wird kommen“, sagt Michael Sponring, Energieexperte bei PwC Österreich. Und zwar schneller, als man denkt. Das sei das Ergebnis einer Befragung von 160 heimischen Energieanbietern und Unternehmen aus der energieintensiven Industrie. Mehr als ein Drittel der Befragten glaubt demnach, dass Pauschaltarife, wie sie im Mobilfunk seit einigen Jahren gängig sind, bereits in den kommenden vier Jahren Usus sein werden. In Deutschland gibt es seit diesem Sommer mit Beegy einen ersten Anbieter, der – beim Kauf einer Beegy-Solaranlage – auch den zusätzlich benötigten Strom zum Fixpreis verkauft.

„Zahl der Trittbrettfahrer steigt“

Das Beispiel zeigt deutlich, dass der Anstoß zu dieser Entwicklung auch stark von der Veränderung der Stromkunden kommt. Im Zuge der Energiewende würden immer mehr Menschen von reinen Abnehmern zu sogenannten Prosumern – Mischwesen aus Produzenten und Konsumenten. Das hat zum Teil fatale Folgen für die Strom- und Netzgesellschaften. Denn je mehr Menschen in Österreich sich Fotovoltaikanlagen auf das Dach schrauben und eine Batterie im Keller installieren, desto weniger Strom beziehen diese aus dem öffentlichen Netz. Und desto weniger bezahlen sie auch für die Aufrechterhaltung desselben. „Die Zahl der Trittbrettfahrer des Systems der Netzfinanzierung steigt stark“, sagt auch ein Sprecher der heimischen Branchenplattform Oesterreichs Energie.

E-Wirtschaft und Regulator arbeiten daher seit Monaten an einer Neujustierung der Netzfinanzierung. Statt wie bisher pro verbrauchter Kilowattstunde zu bezahlen, soll künftig die bereitgestellte Leistung kosten. Damit würden Netztarife für Privathaushalte mit großen Fotovoltaikanlagen, die den Netzbetreiber oft zum Ausweiten seiner Leitungskapazitäten zwingen, deutlich steigen. Die Verhandlungsparteien haben sich bis Weihnachten Zeit gegeben, eine Lösung zu finden. An der grundsätzlichen Richtung, weg von der Abrechnung einzelner Kilowattstunden und hin zu Gebühren für bereitgestellte Leistung, dürfte sich wenig ändern. Eine Flatrate für Haushaltskunden wäre dann nur die logische Weiterführung dieses Konzepts auch im Bereich des Stromhandels.

Der Strompreis selbst dürfte in den kommenden Jahren wieder steigen, erwarten drei Viertel der Industriebetriebe und 70 Prozent der befragten Energieversorger. In den vergangenen Jahren sind die Strom-Großhandelspreise deutlich gesunken. Nach aktuellen Daten von Eurostat liegt die Kilowattstunde Strom in Österreich derzeit etwa bei 19,83 Cent. Zwei Drittel davon entfallen auf Steuern und Abgaben. Gründe für einen voraussichtlichen Anstieg der Strompreise in mittlerer Zukunft sind die drohende Spaltung der deutschen und österreichischen Strompreiszone, der deutsche Atomausstieg und die langsame Verteuerung der Kohle. Ob die Flatratemodelle selbst den Kunden billiger oder teurer kommen werden, ist schwer abzusehen.

Klar ist, dass sie das Erreichen eines anderen Ziels in der Energiepolitik erschweren werden: den effizienteren Umgang mit Energie. Denn wenn Mehrverbrauch nicht mehr kostet, wird die Motivation, Energie zu sparen, kaum steigen. Ein Ziel übrigens, das auch der heimische Gesetzgeber mit seinem Energieeffizienzgesetz nicht erreicht haben dürfte. Seit über einem Jahr ist es in Kraft. Eine erste Bilanz zeigt: Die verpflichteten Unternehmen und Haushalte haben ihr Plansoll problemlos erreicht. Es wurden mehr als doppelt so viele Energiesparmaßnahmen gemeldet als vorgeschrieben. Das Gesetz hätte es zur Zielerreichung laut PwC nicht gebraucht. Nur ein Drittel aller Einsparungen wurden umgesetzt, weil der gesetzliche Druck da war, so die befragten Unternehmen. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)

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