Immobilien: Das „Wiener Gold“ schmilzt

(c) FABRY Clemens
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Die Zahl der Wiener Gründerzeitzinshäuser, die als Gesamtinvestments gehandelt werden, sinkt konstant – die Nachfrage nicht.

Wien. 907 Gründerzeitzinshäuser sind Wien seit 2009 abhanden gekommen. Natürlich ist die Bausubstanz nicht in den letzten sieben Jahren aus dem Stadtbild verschwunden. Doch wo früher ein Zinshaus getreu seinem Namen dazu gedient hat, seinem Eigentümer einen stetigen Mietzinsfluss zu sichern, wird heute immer öfter Wohnungseigentum an einzelnen Teilen begründet.

Damit sind diese Gründerzeithäuser nach Definition des Ersten Wiener Zinshaus-Marktberichts der Otto Immobilien Gruppe aus dem Spiel. Zum Stichtag Mitte August standen interessierten Investoren nach dieser Lesart rund 14.600 Wiener Zinshäuser, eben jene 907 weniger als noch 2009, zur Verfügung. Für Karin Sammer vom Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft ist der Wandel in der Eigentümerstruktur nicht zuletzt eine Generationenfrage. „Die Erbengeneration ist oft überlastet, will sich nicht mit den Mietverträgen befassen und verkauft.“

Viele Käufer, wenig zu kaufen

Bei der Präsentation des aktuellen Berichts am Dienstag wurde deutlich: Der Gusto auf eine sichere Veranlagung in „Wiener Gold“ ist ungebrochen. Der immer kleineren Zahl klassischer Ertragsobjekte steht den Immobilienexperten zufolge eine ungebrochene Nachfrage gegenüber. Zwar werde heuer sicher nicht das Spitzenjahr 2015 erreicht werden. Das hat aber nicht nur mit der Kauffreudigkeit der Interessenten zu tun. Der Rekordumsatz von knapp 1,3 Mrd. Euro rührte im Vorjahr zu einem guten Teil aus der drohenden Anhebung der Immobilienertragssteuer mit 1. Jänner 2016.

Doch auch auf etwas niedrigerer Flamme bewegt sich der Markt rasch. Private Investoren brauchen Expertise und Schnelligkeit, um sich gegen die Unternehmen durchzusetzen, die im Vorjahr bereits bei 74 Prozent der Transaktionen als Käufer und bei knapp der Hälfte als Verkäufer die Finger im Spiel hatten.

Vor allem aber brauchen sie das gewisse Kleingeld – oder eine Gruppe williger Miteigentümer. Nicht einmal ein Hundertstel der Zinshäuser in der Hauptstadt ist für weniger als eine halbe Million Euro zu haben. Die meisten bewegen sich in der Preisklasse von ein bis zweieinhalb Millionen Euro. Und sofern das Kaufobjekt noch in passablem Zustand sein soll, kann man sich unter 1000 Euro pro Quadratmeter heute in keinem einzigen der 23 Bezirke zum stolzen Zinshauseigentümer machen.

Bei Veranlagungen in „Wiener Gold“ gilt: Man muss bereits davor reich gewesen sein, denn durch den Kauf wird man es bestimmt nicht mehr. Seit der Jahrtausendwende bewegen sich die Renditen diametral zu den Preisen bergab. Konnte man 2001 bei 90 Prozent der Zinshäuser mit einer Rendite zwischen fünf und acht Prozent rechnen, pendelt sie sich im besten Fall laut dem aktuellen Zinsspiegel zwischen 3,2 Prozent für Bestlagen und 4,8 Prozent für Randlagen ein. „Bei einem Dreiprozenter in guter Lage freut man sich heute schon“, formuliert Otto-Zinshausexperte Richard Buxbaum die gedrosselten Ansprüche der Klienten in Niedrigzinszeiten.

Zurück zum Altbewährten

Nun, da der „Ausverkauf der Innengürtellagen“ weit fortgeschritten ist, treibe es professionelle Investoren oft in die Randbezirke – oder nach Berlin. Buxbaum wie auch Unternehmenschef Eugen Otto berichten aber von abgebrochenen Experimenten in der deutschen Hauptstadt, oft aufgrund der gestiegenen Immobilienpreise und der geänderten Rechtslage. Die dort Enttäuschten würden sich wieder verstärkt an Wien orientieren. Und auch die Londoner Partner signalisierten, dass britische Investoren seit dem Brexit-Votum ein Auge auf Alternativen jenseits des Kanals werfen – nicht zuletzt auf den Wiener Immobilienmarkt.

Und wie wird dieser auf den nicht abreißenden Ansturm reagieren? Buxbaum: „2017 wird davon geprägt sein, wie sich das Angebot entwickelt – und wie sehr wir die Verkäufer dazu motivieren können, sich von ihrem Zinshaus zu trennen.“ (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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