Ideologiekampf im Tourismus – und der „unsichtbare Dritte“

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Tourismus hadert mit Lehrlingsschwund und Imagetief. Den Befund teilen die Sozialpartner, nicht aber die Lösungen.

Wien. Die Kameramänner, die am Donnerstag zur Pressekonferenz von Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft Vida entsandt worden waren, hätten sich wohl statischere Motive gewünscht. Doch was als Präsentation des Arbeitsklimaindex für die Tourismusbranche – gestützt auf Daten des gewerkschaftsnahen Ifes-Instituts – angekündigt war, entwickelte sich zum Pingpongspiel zwischen dem Arbeitgeber- und dem Arbeitnehmerlager.
Es war eine betont höflich ausgeführte feindliche Übernahme, die die Hotelier- und Gastronomievertreter mit ihren Repliken aus der hintersten Reihe vollführten. Höflich insofern, als man den eigentlichen Gastgebern vorerst die Bühne überließ: „Die Beschäftigten sind unzufrieden, und in Wien sind sie noch unzufriedener“, fasste AK-Chef Rudi Kaske die seit 2012 gesammelten Arbeitsklimadaten zusammen.

Jeder Fünfte „flüchtete“

Während Österreichs Tourismus zwischen 2012 und 2015 mehr als vier Millionen Nächtigungen dazugewann, verlor er zugleich fast 20 Prozent seiner Lehrlinge. Die Arbeiterkammer spricht von einer „Fluchtbranche“, die mit niedrigen Löhnen, den Abend- und Wochenenddiensten und der mit der Gästezahl mitsteigenden Belastung immer unattraktiver werde. Sie untermauert das mit Umfrageergebnissen: Nur ein Prozent der Wiener Arbeitskräfte könne sehr gut vom Gehalt leben, nur ein Drittel wolle im Betrieb bleiben, mehr als ein Drittel lieber ganz den Beruf wechseln.
„Es geht hier nicht darum, die Lage schlechtzureden“, richtete der Vida-Tourismuschef Berend Tusch in Richtung der Vertreter von Wirtschaftskammer und Hoteliervereinigung (ÖHV) aus. Man wolle einen Statusbericht liefern. Und sie an dieser Stelle persönlich zum Gipfelgespräch laden, um Verbesserungen zu erarbeiten.
Als allzu freundlichen Akt dürften die Hoteliers die Terminwahl für die Pressekonferenz dennoch nicht verstanden haben, auch wenn man die Einladung postwendend herzlich erwiderte. Am Sonntag veranstaltet die ÖHV ihren lang geplanten Tag der offenen Hoteltür, an dem sich Betriebe im ganzen Land öffnen und den Jungen Gusto auf eine Hotellaufbahn machen sollen. „Bei einer netten Broschüre darf es nicht bleiben“, so Kaske. „Nach einer Pressekonferenz wie der heutigen ist es ein Wunder, dass wir überhaupt noch Lehrlinge finden“, konstatierte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer merklich verstimmt. Ihr Sitznachbar Peter Dobcak, der Chef der Wiener Gastronomen in der WKO, stellte die Aussagekraft der Ifes-Daten infrage. Die 241 Befragten machten nur 0,19 Prozent der Beschäftigten in der Wiener Gastronomie und Hotellerie aus.
Doch er schwenkte schnell vom Angriffs- in den Verbrüderungsmodus: Man habe einen „unsichtbaren Dritten“ im Raum: die Regierung. Novellen wie jüngst zur Registrierkasse leisteten der wirtschaftlich angespannten Situation Vorschub. „Es ist keine Böswilligkeit, dass wir so wenig zahlen oder Mitarbeiter ausnützen.“ Man sollte der guten Tage der Sozialpartnerschaft gedenken und gemeinsame Forderungen an die Politik formulieren.
So schnell wollten sich AK und Vida die Botschaft ihrer Pressekonferenz nicht kapern lassen. Zwar habe auch die Regierung ihren Beitrag zu leisten, erwiderte Tusch. Sie werde dementsprechend auch zum Gipfel geladen. Aber mit dem Stress, unter dem die Mitarbeiter litten, habe man nicht die Bedienung der Registrierkasse, sondern Überstunden und Wochenenddienste gemeint.
Gibt es einen Fahrplan für den Gipfel? Kaske würde sich wünschen, alle Forderungen wie in der ehemaligen Problembranche Handel zugleich auf den Tisch zu legen. Reitterer dazu: „Das Resultat dieses Gipfels war, dass die Geschäfte am Sonntag zu sind und die Leute bei Amazon einkaufen.“ Die Einladungen sind ausgesprochen, der Rest noch nicht.

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