Hartlauer: „Wir beraten auch gern Amazon-Kunden“

Robert Hartlauer
Robert Hartlauer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit 45 Jahren hält sich der „elektronische Gemischtwarenladen“ Hartlauer, auch gegen den Onlinehandel. Robert Hartlauer über die Renaissance der Innenstadtgeschäfte und warum man auch gern Amazon-Kunden berät.

Die Presse: Es gab einmal viele Elektronikketten in Österreich – Herlango, Cosmos, Köck, Niedermeyer. Alle sind tot, warum gibt es Hartlauer noch immer?

Robert Hartlauer: Die anderen haben Sachen gemacht, die nicht ideal gelaufen sind, ohne darauf zu reagieren. Hartlauer hat sich im Lauf der Zeit gewandelt und angepasst. Wir haben seit mehr als 30 Jahren den Optikbereich, wir sind seit 17 Jahren mit Hörgeräten vertreten, der Fotobereich ist noch immer sehr stark und wichtig, wir verkaufen Smartphones für alle Mobilfunkbetreiber. Wir haben diese vier Säulen. Manche bezeichnen das spöttisch als Gemischtwarenhandel, aber es funktioniert. Wir machen zarte Gewinne.

Als die Konkurrenz der Reihe nach pleiteging, die Einschläge also näher kamen, hatten Sie da schlaflose Nächte – Sie waren erst 24 Jahre alt, als Sie die Kette von Ihrem Vater krankheitsbedingt übernehmen mussten – oder waren Sie immer zuversichtlich, dass es gut geht?

(Lacht.) Nein, schlaflose Nächte hatte ich wirklich nicht. Die Konkurrenz wurde ja nicht vom Blitz getroffen, das Ende hat sich abgezeichnet. Beispielsweise bei Niedermeyer: Die Kette wurde verkauft, umgemodelt, wieder verkauft, noch einmal verkauft – dadurch hat sie ihre Identität verloren. Das Schicksal eines Unternehmens hängt nicht an drei, vier großen Entscheidungen, sondern an einer Reihe von vielen kleinen über einen längeren Zeitraum.

Es war auf jeden Fall ein kluger Schritt, früh in den hochpreisigen Brillen- und Hörgerätebereich zu gehen.

Über die Ertragsseite rede ich nicht. Aber natürlich ist der Bereich teurer, weil man gut ausgebildete Fachkräfte benötigt, und dadurch sind auch die Margen besser. Würden wir heute noch immer Fernseher verkaufen, dann könnte ich mir wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte der Filialen leisten. Außerdem baut man eine engere Kundenbeziehung auf. Das ist unsere Hauptaufgabe: Wir reden mit dem Kunden, wir fragen ihn, was er braucht und will, dann empfehlen wir ihm ein Produkt . . .

. . . und dann kauft es der Kunde online bei Amazon.

Warum soll er das machen?

Weil es billiger ist.

Der anständige Kunde ist nicht so. Wenn er ordentlich beraten worden ist, dann weiß er das zu schätzen, dann kauft er auch ein. Das ist auch unsere Stärke, deshalb funktioniert Hartlauer noch immer. Es ist die Qualität unserer Verkaufsmannschaft. Wir legen großen Wert auf Aus- und Weiterbildung im Unternehmen.

Die Geiz-ist-geil-Mentalität oder die Konkurrenz durch Amazon macht Ihnen keine Sorgen?

Die nimmt man natürlich ernst, aber ich denke nicht zu viel über andere nach. Ich denke lieber über neue Möglichkeiten für mein Unternehmen nach.

Erleben es Ihre Mitarbeiter, dass der Kunde im Geschäft das Handy zückt und den Preis auf Online-Plattformen vergleicht?

Ich werbe nicht mit dem tiefsten Preis. Ich werbe damit, dass wir die beste Beratung bieten. Es gibt sicher viele Menschen, die genau wissen, was sie wollen, die sich genau erkundigt haben und dann online bestellen. Aber ich glaube, der Konsument will Beratung. Wenn ich mir ein Fahrrad kaufe, suche ich nicht im Internet, sondern gehe zum Herrn Hrinkow in Steyr und sag: Ich will ein Radl. Er berät mich und verkauft mir das richtige, passende Fahrrad für mich. Das ist für mich auch der günstigste Einkauf, weil ich nicht eine Woche im Internet herumschauen muss. Wir haben Waren ausgestellt, wir haben Angestellte, wir haben Geschäfte – da kann ich nicht so billig sein wie ein Onlinehändler.

Das verstehen die Kunden?

Der Großteil schon. Wir beraten sicher auch ins Leere, es gibt einige, die auch wieder gehen. Aber ich lade jeden Kunden ein, der nicht bei uns eingekauft hat, zu uns zu kommen und sich das Produkt erklären zu lassen. Wir beraten auch gern Amazon-Kunden. Dann können wir unsere Kompetenz beweisen, und dann kauft der Kunde das nächste Mal sicher bei uns.

Kundenservice schlägt den Preis?

Ganz sicher. Auf Dauer punktet man damit. Wir haben Kunden, die eine Bonbonniere vorbeibringen, weil sie mit der neuen Brille so gut sehen, oder einen Wein, weil sie so eine Freude mit dem neuen Hörgerät haben. Das passiert nicht, wenn einer nur über den Preis einkauft.

Wird es in zehn Jahren noch 162 Filialen von Hartlauer geben, oder wird dann alles nur noch online sein?

Ich hoffe, es wird mehr Filialen geben. Ich sehe ein Zurück zu den klassischen Geschäften in den historisch gewachsenen Stadtzentren. Das kommt wieder, auch kleine Speziallebensmittelhändler. Die Einkaufszentren und die großen Lebensmittelketten werden dagegen Probleme bekommen. Die Dinge des täglichen Bedarfs kaufe ich eher online. Es ist nicht sehr charmant, Klopapier einkaufen zu gehen, aber es ist schön, eine neue Kamera oder eine Handtasche einkaufen zu gehen.

Hartlauer wird es immer in Geschäften geben?

Einen Mix. Wir werden mit Filialen noch weiter wachsen, wir werden aber auch online vertreten sein, beispielsweise mit Mitarbeitern, die mit Virtual Reality Kunden beraten. Oder ein Kunde kauft online eine Kamera und kann sie sich dann in einer Videokonferenz mit dem Verkäufer erklären lassen.

Wie viel Steuern hat Hartlauer eigentlich im vergangenen Jahr bezahlt?

Ich kann Ihnen sagen, was wir in den vergangenen 15 Jahren insgesamt bezahlt haben, das haben wir neulich ausgerechnet: Es waren mit Mehrwertsteuer, Lohnsteuern usw. 577 Millionen Euro.

Internationale Konzerne in Österreich und Deutschland haben zweifellos weitaus weniger bezahlt. Sind Sie neidisch auf Amazon und Starbucks?

Es gehört ein Bewusstsein her, dass Steuer zahlen den Menschen hilft. Wenn ich ins Ausland fahre, tanke ich noch in Österreich, weil ich die 70 Prozent an Steuern für das Benzin lieber hierzulande abführe als in Italien oder Deutschland. Alles, was im Land an Steuern bleibt, hilft dem Land, den Menschen und damit auch meinen Kunden.

Macht es die Politik den Unternehmen leicht genug, Gewinne zu erwirtschaften und damit Steuern zu bezahlen?

In Summe muss man sagen, dass Österreich ein wunderbarer Standort für Unternehmer ist. Es gibt viele Dinge, die es im Ausland nicht gibt: ein funktionierendes Rechtssystem, eine ordentlich arbeitende Exekutive, eine gute Infrastruktur.

Sie sind der erste Unternehmer, der nicht sofort über hohe Lohnkosten und die überbordende Bürokratie klagt.

Natürlich gehört die Verwaltung vereinfacht. Es wäre schon hilfreich, wenn es nicht so viele Vorschriften gäbe und die Regierung etwas berechenbarer wäre.

Unternehmer klagen auch über schlecht ausgebildete Schulabgänger. Hartlauer hat 1500 Mitarbeiter, wie schwer ist es, gute Mitarbeiter zu finden?

Das variiert regional sehr stark, je nachdem, wo man ist. Man muss die besten suchen oder ausbilden, dafür haben wir unsere Hartlauer-Akademie. Was oft fehlt, sind einfache soziale Fähigkeiten: Dass man grüßt, wenn jemand bei der Tür hereinkommt, wie man mit Kollegen zusammenarbeitet – aber das ist mehr Aufgabe der Eltern als der Schule.

Und wie schwer ist es, die Mitarbeiter zu halten?

Wir zahlen Kollektivvertrag mit einem Prämiensystem. Aber ich will nicht über das Geld motivieren, die Mitarbeiter schätzen die flexible Arbeitszeit, das ist ihnen wichtiger. Ein Team kann sich in einer Filiale flexible Arbeitszeiten ausmachen, das wird geschätzt.

Nur am Sonntag wollen Sie nicht aufmachen.

Ich sage, jeder soll aufsperren, wann er will. Ich würde am Sonntag nicht aufsperren. Ich bin ein Christ, ich gehe mit meiner Familie am Sonntag in die Kirche – (lacht)wenn ich nicht verschlafe. Für mich ist das der Tag für die Familie. Wir hatten früher in Slowenien Filialen. Als dort die Sonntagsöffnung eingeführt wurde, haben wir die Auswirkungen auf den Umsatz genau gesehen: nämlich null. Der Wochenumsatz ist gleichgeblieben, es gab nur eine Aufteilung des Umsatzes statt von Montag bis Samstag auf Montag bis Sonntag. Als Unternehmer hat man deutlich höhere Kosten mit der Sonntagsöffnung, aber es bringt nichts.

Hartlauer macht eine sehr personalisierte Werbung. Sind Sie eitel, oder ist es Ihnen unangenehm, wenn Sie jeder kennt?

Wenn ich geschäftlich bin, ist es mir egal, dann freut es mich sogar. Privat ist es manchmal unangenehm, vor allem, wenn ich mit den Kindern unterwegs bin. Ich würde manchmal auch einfach nur gern auf der Mariahilfer Straße sitzen und den Menschen zuschauen, das geht aber nicht. Das mache ich dann im Ausland.

Eine ganze Generation verbindet Hartlauer mit dem Werbespruch: „Ihr Franz Josef Hartlauer“. Spricht Sie manchmal jemand als Franz Josef an?

(Lacht.) Ja, wenn mir jemand nachschreit, passiert das öfter. Mein Vater ist für mich mein uneingeschränktes Vorbild. Es freut mich, dass er auch 16 Jahre nach seinem Tod noch so präsent ist.

Auf einen Blick

Die Firma Hartlauer wurde 1971 von Franz Josef und Renate Hartlauer mit einem Geschäft in Steyr gegründet. Das Familienunternehmen setzte früh auf Brillen und lieferte sich durch vergleichende Werbung eine heftige rechtliche Auseinandersetzung mit etablierten Optikern bis zum EuGH, der 2003 für Hartlauer entschied. Im Jahr 2000 übernahm Sohn Robert die Geschäftsführung. Aktuell betreibt die Firma Hartlauer 162 Filialen in Österreich und beschäftigt knapp 1500 Mitarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

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