IV-Chef Kapsch: Sozialpartnerschaft als Totengräber Österreichs

PK INDUSTRIELLENVEREINIGUNG (IV) 'VORSTELLUNG DES IV-PRIORITAeTENPROGRAMMS 2020 DURCH DAS NEU GEWAeHLTE BUNDESPRAeSIDIUM': KAPSCH
PK INDUSTRIELLENVEREINIGUNG (IV) 'VORSTELLUNG DES IV-PRIORITAeTENPROGRAMMS 2020 DURCH DAS NEU GEWAeHLTE BUNDESPRAeSIDIUM': KAPSCHAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die Sozialpartner machen nur noch "Interessenpolitik für Funktionäre", kritisiert Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung.

Eine überbordende und schwerfällige Bürokratie, die hohe Abgabenlast, aber auch die in der Vergangenheit viel gerühmte Sozialpartnerschaft zählen nach Ansicht der österreichischen Industriellen zu den größten Bremsklötzen für die heimische Wirtschaft. Für Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist Österreich dennoch ein "guter Standort - mit Luft nach oben".

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, fand bei der "ZEIT Konferenz" am Dienstag in Wien besonders drastische Worte. Österreich habe zwei Totengräber, "den Föderalismus, wie wir ihn leben", und "die Sozialpartnerschaft, wie wir sie heute leben", so Kapsch. "Das hat nichts mit Interessenausgleich zu tun, da geht es nicht einmal mehr um Klientelpolitik, da geht es vielmehr um Interessenpolitik für Funktionäre - das gilt für beide Seiten", kritisierte der IV-Präsident. "Wir haben hier eine Regierung außerhalb der Regierung."

Kritik an Zwangsmitgliedschaft

Für Stefan Pierer, Chef der KTM-Gruppe, ist das größte Problem der Sozialpartnerschaft die "Zwangsmitgliedschaft". Seine Unternehmensgruppe zahle heuer in etwa 1,3 Mio. Euro an Wirtschaftskammer-Beiträgen. Finanzminister Hans Jörg Schelling verteidigte die Wirtschaftskammer, insbesondere die Wirtschaftsförderungsinstitute (Wifi) und die Außenwirtschaftsorganisation ("Advantage Austria"). "Die zwei Assets möchte ich nicht weggeben, und diese Assets müssen auch finanziert werden." Mit der Sozialpartnerschaft, wie sie derzeit ist, ist auch Schelling nicht zufrieden. "Wenn wir es nicht schaffen, aus der Sozialpartnerschaft eine Standortpartnerschaft zu machen, wo beide - Dienstgeber und Dienstnehmer - wissen: Wenn wir das tun, haben wir gemeinsame Vorteile und Zukunft, dann ist diese Sozialpartnerschaft auch ein Auslaufmodell." Die Sozialpartner hätten nach dem Krieg großartige Arbeit beim Wiederaufbau geleistet, "aber die Zeiten haben sich geändert".

Nach Ansicht von Kapsch muss sich aber noch viel mehr ändern. "Wir brauchen eine grundlegende Mentalitätsänderung. Es kann nicht der New Deal sein, dass man immer etwas abdealt." Man müsse vielmehr fragen, was notwendig ist, um Arbeitsplätze zu schaffen. "Da gibt es ein klassisches Beispiel, das ist das gesamte Thema Arbeitsrecht, das in keiner Weise zeitgemäß ist."

Arbeitszeitregulierung als "größter Hemmschuh"

Dazu gehört für Pierer vor allem die Arbeitszeitflexibilisierung. Die Arbeitszeitregulierungen seien insbesondere für exportorientierte Unternehmen untragbar. "Das ist der größte Hemmschuh derzeit im Arbeitsplatz-Aufbau." Bei Schelling läuft Pierer mit der Forderung nach einer Arbeitszeitflexibilisierung offene Türen ein. "Ja, von mir aus sofort." Darüber werde jetzt schon seit 15 Jahren verhandelt. "Da ist mein Vorschlag: Wenn man den Sozialpartnern so etwas überträgt und innerhalb von sechs Monaten keine Lösung kommt, dann soll die Regierung das an sich zurückziehen und selbst die Entscheidung treffen", so Schelling.

Demotivierend für die Mitarbeiter sei die Abgabenbelastung für Arbeit, so Pierer, die mittlerweile so hoch sei, dass er nicht mehr von Lohnnebenkosten spreche, "sondern ich habe den Begriff Lohnhauptkosten kreiert". Bei einem Median-Einkommen von 3.000 Euro brutto im Monat habe der Arbeitgeber Kosten von 54.000 Euro pro Jahr, der Mitarbeiter bekomme nur 27.000 Euro. "Wir haben aus Österreich seit einigen Jahren einen Brain Drain nach außen von den topqualifizierten Jungen. Die im Ausland studieren, kommen nicht mehr zurück, und die, die ehrgeizig sind und was schaffen wollen, gehen aus diesem Land weg. Das merken wir vielleicht in 15 Jahren – hochgefährlich.

Ex-Infineon-Chefin warnt vor Populismus

Die frühere Infineon-Chefin Monika Kircher warnte davor, in der Digitalisierung der Industrie nur eine Bedrohung zu sehen. "Dort, wo hoch automatisiert, digitalisiert wird, mit hohen Löhnen, haben wir heute die meisten Arbeitsplätze." Die Medien sollten nicht den simplen Populismus bedienen und nicht gegen Digitalisierung und Freihandel Stimmung machen. "Vieles in Österreich hat auch mit einem Mangel an Qualitätsmedien und Qualitätsjournalismus zu tun."

(APA)

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