Leitner-Gruppe: "Das Unternehmen ist für die Mitarbeiter da"

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Symbolbild.(c) Clemens Fabry
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Anton Seeber, Chef der Leitner-Gruppe, über warme Winter, Seilbahnen als Transportmittel und die Verantwortung eines Unternehmers.

Die Presse: Die Unternehmensgruppe Leitner ist einer der größten Skilifthersteller der Welt. Ihr Unternehmen baut mittlerweile auch Seilbahnen in Städten und Windräder. Bereiten Sie auf die Zeit ohne Schnee vor?

Anton Seeber: Nein. Aber es ist unsere Pflicht als Unternehmen, das Risiko zu diversifizieren. Es gibt einen Klimawandel, es wird vermutlich wärmer werden, damit müssen wir uns beschäftigen.

Aber Windräder sind doch weit weg von Seilbahnen.

Überhaupt nicht. Der Schritt ist wegen unseres neuartigen, getriebelosen Antriebssystems für Seilbahnen sogar naheliegend. Wenn man – vereinfacht ausgedrückt – diesen Antrieb umdreht, hat man einen Generator, mit dem man Strom erzeugen kann.

Umweltfreundlich erzeugter Strom für ein Skigebiet – darüber müssten sich Umweltschützer ja eigentlich freuen.

Wir haben das tatsächlich in einem Skigebiet umgesetzt. Am Salzstiegl (Weststeiermark, Anm.) stehen zwei unserer Windräder, die das Skigebiet mit Strom beliefern. Aber Windenergie ist insgesamt eine schwierige Geschichte. Es will zwar jeder erneuerbare Energie, aber niemand will die Stromerzeuger bei sich zu Hause stehen haben oder sie auch nur in der Landschaft sehen. Das ist wirklich absurd.

Wie groß soll dieser Bereich werden?

Er soll sinnvoll wachsen. Wir machen das, wo wir es können – etwa in der Türkei. Aber wir können nicht gegen Siemens oder GE auftreten, da sind wir einfach zu klein.

Leitner baut auch Seilbahnen als Transportmittel in Städten. Wie wichtig wird dieser Bereich?

Er wird ständig wichtiger, er macht derzeit etwa 25 Prozent des Gesamtumsatzes aus. In Südamerika und Asien bauen wir das als erprobtes Transportmittel, um die Menschen zu Bahnhöfen oder U-Bahn-Stationen zu bringen. Eine Seilbahn schafft bis zu 4000 Menschen pro Stunde in eine Richtung. In Medellín in Kolumbien haben wir in zehn Jahren 150 Millionen Menschen transportiert, heute sind dort schon fünf urbane Seilbahnen im Einsatz.

Wird man Seilbahnen irgendwann auch in Wien sehen?

Wir haben eine in Berlin gebaut, die großen Zuspruch gefunden hat. Das Problem in unseren Gegenden sind einerseits die Vorschriften in Bezug auf das Überfliegen von Gebäuden, andererseits die hohen Häuser. In Asien läuft es gut, in der Türkei und Südamerika auch, in Algerien bauen wir gerade mehrere große Bahnen.

Der Nebeneffekt ist eine ganz neue Perspektive auf die Stadt.

Durchaus, mit interessanten Folgen. In Medellín führt die Seilbahn über einen etwas heruntergekommenen Stadtteil. Als die Menschen das von oben gesehen und festgestellt haben, wie ungepflegt es ist, haben sie angefangen, ihre Häuser herzurichten, ihren Stadtteil aufzuräumen, die Dächer zu sanieren.

Zur Firmengruppe gehören auch Schneekanonen. Wie sehr freuen Sie sich über die schneearmen Winter?

Als Mensch und Skifahrer bin ich darüber traurig. Es schaut einfach alles viel schöner aus, wenn es schneebedeckt ist. Das gibt es heute kaum noch. Als Unternehmer, als Hersteller von Schneekanonen, muss man natürlich über diese Entwicklung froh sein. Allerdings haben die schneearmen Winter auch negative Auswirkungen auf andere Bereiche unserer Unternehmensgruppe – eben deshalb ist Diversifizierung so wichtig.

Wie wirken sich die Winter in der Verkaufsstatistik bei den Schneekanonen aus?

Wir haben ein recht starkes Wachstum. 2012 haben wir 350 Schneekanonen hergestellt, im vergangenen Jahr waren es 1000.

Fragen Sie sich als Liftbauer eigentlich manchmal, wie weit man bei der Erschließung der Berge gehen kann und soll? Oder kann es gar nicht genug Lifte in den Alpen geben?

Man muss darauf achten, dass man die Berglandschaft nicht mit Liften zubaut. Es kann ganz sicher nicht nur um möglichst viel Profit gehen, das ist eine sehr kurzfristige Sichtweise. Man muss auf die Natur, auf die Berge achten, man muss behutsam damit umgehen, weil wir sonst nichts mehr haben, wo die Menschen wirklich hinwollen. Alles muss mit Maß und Ziel passieren. Ich glaube, das haben wir mit den bestehenden Liftanlagen gut geschafft, sie fallen kaum auf. Die Kritiker übertreiben da schon. Man sollte das etwas weniger emotional diskutieren, durchaus auch auf unserer Seite.

Sie haben viel Geld in den Standort Telfs investiert. Ist Ihnen Österreich nicht zu teuer?

Ich will kostengünstig produzieren. Billig ist nicht immer gut, wir können es uns gar nicht leisten, billig zu sein. Mit einem billigen Produkt werden wir langfristig ein Problem bekommen. Zudem hat sich in Telfs der Bürgermeister persönlich für die Erweiterung unseres Standorts eingesetzt und zum Teil direkt mit den Nachbarn geredet.

Wie sehr verpflichtet man sich als Unternehmen einem Standort wie Telfs oder Sterzing in Südtirol?

Sehr. Es geht nicht in erster Linie darum, den Gewinn zu maximieren, sondern darum, langfristig etwas aufzubauen. Am Ende ist das Unternehmen für die Mitarbeiter da. Es geht um die vielen einzelnen Menschen, die für uns arbeiten, die loyal sind; ihnen gegenüber müssen auch wir loyal sein.

Das klingt sehr idealistisch.

Eine solche Einstellung kann man sich nur als Familienunternehmen leisten. Wenn man Gesellschafter hat, die Gewinn maximieren wollen, dann geht das nicht. Ich war in meinem vorherigen Arbeitsleben Investmentbanker in den USA. Da habe ich gesehen, was ich in meinem Berufsleben auf gar keinen Fall machen will.

ZUR PERSON

Anton Seeber geboren 1973 in Sterzing, studierte Betriebswirtschaft in Mailand und absolvierte ein Auslandsjahr in Harvard. Im Anschluss arbeitete er bei der Private Equity Firma Graham Partners in den USA. 2004 wurde Seeber Präsident des Verwaltungsrats bei Leitner – Poma of America. Das Unternehmen selbst wurde 1888 von Gabriel Leitner gegründet, 1993 übernahm Bauunternehmer Michael Seeber die Mehrheit. Im heurigen Frühjahr gab Seeber die Führung des Unternehmens an seinen Sohn Anton ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2016)

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