Brexit lässt Wirtschaft (noch) kalt

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BRITAIN-ECONOMY-GROWTH-INDICATOR-BREXIT-POLITICS(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Das Bruttoinlandsprodukt Großbritanniens sank im dritten Quartal weniger stark als befürchtet. Ob sich das fortschreiben lässt, ist fraglich.

London. Großbritanniens Wirtschaft hat die Folgen des Brexit-Votums bisher besser verkraftet als erwartet. Die Wachstumsrate ging im dritten Quartal zwar zurück – aber weniger stark, als Experten nach dem Referendum zum Austritt aus der Europäischen Union Ende Juni befürchtet hatten.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte zwischen Juli und September um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu, wie aus einer ersten Schätzung der Statistikbehörde hervorgeht. Volkswirte hatten mit plus 0,3 Prozent gerechnet. Im zweiten Quartal hatte die Steigerung noch 0,7 Prozent betragen. „Das Wachstum zeigt sich bislang nach dem EU-Referendum weitgehend unbeeinflusst“, hieß es dazu seitens der britischen Statistikbehörde. Es gebe keine Hinweise auf ausgeprägte kurzfristige Effekte durch das Votum.

Verantwortlich für das relativ gute Abschneiden ist vor allem der Dienstleistungssektor, der zuletzt 0,8 Prozent zugelegt hat. Einen besonders starken Zuwachs gab es laut der Behörde in den drei Monaten bis September im Sektor Transport und Kommunikation. Andere Bereiche wie Bau, Agrar und Industrie schnitten schlechter ab.

Auch die anhaltend hohe Nachfrage trug Experten zufolge zu dem verhältnismäßig guten Ergebnis bei. „Es scheint sicher zu sein, dass das Wachstum im dritten Quartal auch zu einem großen Teil auf der Bereitschaft der Verbraucher basiert, weiterhin Geld auszugeben“, sagt Howard Archer von der Denkfabrik IHS Global Insight der BBC.

Ungemach im nächsten Jahr

Verantwortlich dafür ist die weiterhin starke Kaufkraft und eine hohe Beschäftigung. Finanzminister Philip Hammond zeigte sich erfreut über die Zahlen. „Die Fundamente der britischen Wirtschaft sind stark, und die heutigen Daten zeigen, dass die Wirtschaft widerstandsfähig ist.“

Die britische Notenbank dürfte ihre Zinsen in der kommenden Woche folglich nicht weiter senken, sondern erst Anfang 2017. Im August lockerte die Zentralbank ihre Geldpolitik, um der Wirtschaft über die ersten Turbulenzen hinwegzuhelfen.

Im nächsten Jahr droht der Konjunktur aber Ungemach. Neue Unsicherheiten könnten aufkommen, wenn Großbritannien und die EU über ihre künftigen Beziehungen verhandeln. Notenbankchef Mark Carney hatte sich jüngst besorgt darüber geäußert, dass der Pfund-Verfall für eine steigende Inflation sorge. Dies wiederum dürfte die Kaufkraft der Verbraucher im kommenden Jahr belasten.

Während ein harter Brexit zu einer Flucht von Banken aus der Finanzmetropole London führen könnte, profitieren exportorientierte Unternehmen. So steigerte der britische Pharmakonzern Glaxo Smith Kline dank des Pfund-Verfalls seinen Gewinn stärker als erwartet. Der japanische Autokonzern Nissan entschied sich einem Insider zufolge, das nächste Modell seines Geländewagens Qashqai in Großbritannien zu bauen. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2016)

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