Wirtschaftskammer. Eine Liberalisierung der Gewerbeordnung dürfe nicht zu einer Entqualifizierung führen, mahnt Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer. Es gehe nicht nur um Konsumentenschutz, sondern auch um Steuergeld.
Wien. Reinhard Kainz hat alles schon x-mal gehört. Die Argumente gegen eine restriktive Gewerbeordnung, für mehr Liberalisierung, für sogenannte Reformen. Der Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer saß auch bis zuletzt am Verhandlungstisch, als es darum ging, die Gewerbeordnung zu novellieren. Was Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner kommenden Mittwoch präsentieren werde, will Kainz noch nicht kommentieren. „Die Koalitionspartner müssen das Paket schnüren“, sagt er. Es klingt fast, als habe die Stimme der Wirtschaftskammer auf das Ergebnis kaum einen Einfluss. Tatsächlich wiegen die Argumente des WKO-Verhandlers schwer. Und die Kernbotschaft lautet: Nicht jeder, der Unternehmer werden will, soll es auch ohne Qualitätscheck werden.
Denn am Ende, so betont Kainz im Gespräch mit der „Presse“, sind es eben nicht nur die Konsumenten, die draufzahlen. Es sind auch die Lieferanten, und es sind am Ende auch die Steuerzahler, die für einen falsch verstandenen Liberalismus geradestehen müssen.
Und: „Ohne Meister ist auch die Zukunft unserer Jugend in Gefahr“, betont Kainz. Allein seine Sparte Gewerbe und Handwerk steuere jeden zweiten der knapp 50.000 Lehrlingsplätze in diesem Land bei. „Meister weg, Lehrling weg“, sagt Kainz.
Bürokratischen Aufwand senken
Dass Gewerbe nur noch dort reglementiert werden soll, wo es um Leib und Leben und Sicherheit geht, sei „viel zu wenig“, sagt Kainz. Denn eine Öffnung verzerre auch den Wettbewerb. „Wettbewerb ist ganz wichtig - aber unter gleicher Qualifizierung“, sagt der Wirtschaftskammerexperte. In einem Hochlohnland wie Österreich seien Qualität und Qualifikation entscheidend.
Während die Wirtschaftskammer sich stark dafür einsetzt, dass an den 80 reglementierten Gewerben festgehalten wird, sieht Kainz in anderen Bereichen der Gewerbeordnung durchaus Handlungsbedarf. Bei der Genehmigung von Betriebsanlagen sollte es doch möglich sein, den bürokratischen Aufwand zu senken. Derzeit laufen oft mehrere Betriebsgenehmigungsverfahren parallel. Oft führten sie zu paradoxen Situationen, berichtet Kainz. So könne es etwa passieren, dass einem Gastronomen aus Sicherheitsgründen raue Fliesen vorgeschrieben werden, gleichzeitig aber die Gesundheitsbehörde aus Gründen der Hygiene glatte Fliesen fordert.
Ein unendliches Thema in der unendlichen Geschichte der Gewerbeordnung ist auch der Umgang mit sogenannten Nebenrechten. Mit anderen Worten: Darf ein Maler auch eine Wand einreißen, oder muss er dafür einen Maurer engagieren?
Aktuell heißt es in der Gewerbeordnung, dass Tätigkeiten „auf dem Gebiet anderer Gewerbe“ nur „in geringem Umfang“ durchgeführt werden dürfen und auch nur dann, wenn sie „eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen“. Diese durchaus schwammige Bezeichnung hat in der Praxis nicht selten ein juristisches Nachspiel. Wo endet der „geringe Umfang“? „In der Judikatur endet er bei sieben Prozent des Auftragsvolumens“, sagt Reinhard Kainz und gesteht ein, dass hier eine „wirtschaftsnahe Auslegung“ durchaus wünschenswert sei.
Es gibt einen Bereich, bei dem die Wirtschaftskammer auf eine Überarbeitung drängt – und das schon seit langer Zeit. Es ist der Bereich des Arbeitsinspektorats. Aktuell werde hier viel zu schnell, viel zu hart bestraft, sagt Kainz. Er nennt etwa das Beispiel eines Unternehmers, der die vorgeschriebene Mittagspause um wenige Minuten unterschritten habe. Dieser zahlte nicht einmal Strafe, sondern für jeden einzelnen Mitarbeiter. „Hier ist im Vollzug mehr Augenmaß unbedingt notwendig“, sagt der Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk.
AUF EINEN BLICK
Gewerbeordnung. 80 Gewerbe in Österreich sind reglementiert. Und das sei gut so, sagt Reinhard Kainz, Generalsekretär der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO. Er spricht sich weiterhin für eine klare Qualitätskontrolle für Unternehmer aus. „Ohne Meisterprüfung keine Lehre“, argumentiert Kainz. Er spricht sich aber für weniger Bürokratie bei Betriebsanlagengenehmigungen aus und für mehr Augenmaß bei Verstößen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)