Oberster ÖBB-Personalchef Franz Nigl entmachtet

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Die Krankenstandsaffäre bei den Bundesbahnen hat erste Konsequenzen: Die ÖBB-Aufsichtsräte haben DLG-Geschäftsführer Franz Nigl am Wochenende einstimmig degradiert. Ihm wird ein Aufpasser zur Seite gestellt.

WIEN. Rund um den Datenskandal bei den Österreichischen Bundesbahnen haben sich die Ereignisse am Wochenende überschlagen: ÖBB-Chef Peter Klugar und Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker sind in der Angelegenheit aktiv geworden – in einem sogenannten Umlaufbeschluss haben die Aufsichtsräte der ÖBB-Holding einstimmig Franz Nigl als Geschäftsführer der Dienstleistungsgesellschaft DLG entmachtet. Emmerich Bachmayer wurde dem in Ungnade gefallenen Nigl als Aufpasser zur Seite gestellt. Die DLG ist im Konzern unter anderem für das gesamte Personalmanagement der Bundesbahnen verantwortlich.

Die Eile, mit der am Wochenende vorgegangen wurde, ist erstaunlich. Zumal der Aufsichtsrat der Holding am vergangenen Dienstag stundenlang getagt hat – ohne Ergebnis. Damals haben zwar etliche Aufsichtsräte Nigls Rücktritt gefordert, der 46jährige ÖBB-Manager erhielt allerdings massive Rückendeckung von Pöchhacker. Eine Reihe von Aufsichtsräten bezeichnete am Dienstag Franz Nigl als Hauptverantwortlichen für die Affäre: Im Mai 2008 hat ein ÖBB-Betriebsrat im Rahmen einer Aufsichtsratssitzung auf vermutete Missstände bei der Erfassung von Krankenstandsdaten von ÖBBlern hingewiesen. Damals wurde Nigl beauftragt, der Sache nachzugehen. Der gab allerdings einen Monat später Entwarnung: An der Sache sei nichts dran, lautete seine Conclusio.

Nigl: „Stand unter großem Zeitdruck“

Im Gespräch mit der „Presse“ rechtfertigte er sich vergangene Woche damit, dass sein Bericht damals vom ÖBB-Vorstand „mehrmals urgiert“ worden sei, er sei unter „großem Zeitdruck“ gestanden. Gleichzeitig räumte er ein, einen „Fehler“ begangen zu haben: „Ja, es war ein Fehler, dass ich mit zu wenig Nachdruck den Dingen nachgegangen bin.“

Dass die Aufsichtsräte nun mit einigen Tagen Verspätung die Entmachtung Nigls als DLG-Chef beschlossen haben, liegt daran, dass offenbar „Gefahr im Verzug“ besteht: Intern heißt es, die Causa würde „eskalieren“. Es werden bereits Vergleiche mit der Spitzelaffäre bei der Deutschen Bahn gezogen. Der Aufsichtsrat musste rasch handeln, um nicht selbst haftbar zu werden. Die nächste ÖBB-Aufsichtsratssitzung findet erst Ende November statt – da sei es in der heiklen Causa zu spät für Beschlüsse dieser Art, heißt es.

Ex-Personalchef des Bundeskanzleramts

Der neue DLG-Geschäftsführer Bachmayer, der seit einigen Monaten in den ÖBB als Personalchef unter Nigl arbeitet, gilt als Spezialist für das Beamtendienstrecht – er war vor seinem Wechsel zu den ÖBB Personalsektionschef im Bundeskanzleramt. Dass er jetzt Nigl zur Seite gestellt wird, zeugt von einem massiven Vertrauensverlust gegenüber dem bisherigen Alleingeschäftsführer der DLG. Tatsache ist, dass Nigl allein nichts mehr entscheiden kann. ÖBB-Sprecher Alfred Ruhaltinger zur „Presse“: „Die DLG hat ab sofort zwei Geschäftsführer, die nach dem Vieraugenprinzip entscheiden.“ Insider gehen freilich davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Nigl gänzlich abberufen wird.

Mit der Demontage von Franz Nigl ist die Sache für den ÖBB-Vorstand allerdings noch nicht ausgestanden. In Krisensitzungen wird bereits überlegt, forensische Gutachten für gelöschte/zu löschende Krankenstandsdaten anfertigen zu lassen. Dies sei für Dokumentationszwecke, also den Erhalt von Beweismitteln notwendig. Teuer wird das Ganze in jedem Fall: Solche forensischen Gutachten kosten hunderttausende Euro.

Aufregung wegen Vergabeverfahrens

Mittlerweile schlägt auch ein Bericht der „Presse“ von vor wenigen Wochen über angebliche Bieterbevorzugung bei der Bestellung von Containerstaplern durch die ÖBB politisch hohe Wellen: Wie berichtet, hat ein Bericht der Internen Revision im Konzern disziplinarrechtliche Konsequenzen gegen Einkaufschef Walter Eschbacher empfohlen, weil Eschbacher (ein enger Vertrauter von ÖBB-Chef Peter Klugar) während des Bieterverfahrens telefonischen Kontakt mit einem der Bieter gehabt haben soll. Es gilt die Unschuldsvermutung, Eschbacher bestreitet die Vorwürfe. Das BZÖ sieht in der Causa Staatsanwaltschaft und Rechnungshof gefordert.

(Die Presse, Printausgabe, 29. 9. 2009)

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