Leitl warnt: "Öxit" könnte 150.000 Jobs vernichten

WKO-Präsident Leitl warnt vor einem Öxit
WKO-Präsident Leitl warnt vor einem ÖxitAPA/GEORG HOCHMUTH
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Wie der Industrielle Hans Peter Haselsteiner warnt auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl vor einem Öxit. Eine Anti-Hofer-Kampagne sei das allerdings nicht, sagt er.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) hat - untermauert mit einer Analyse des Wirtschaftspolitischen Zentrums (WPZ) - vehement vor einem "Öxit", also einem Austritt Österreichs aus der EU, gewarnt. Dass es sich bei der Studie um eine Wahlempfehlung handle wie bei der Anti-Öxit-Kampagne des Industriellen Hans Peter Haselsteiner gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer, schloss Leitl aus.

Das zeitliche Zusammenfallen mit der Wiederaufnahme der Haselsteiner-Kampagne am heutigen Dienstag und der Präsentation der WPZ-Studie, in der die Vorteile der Mitgliedschaft als sehr deutlich überwiegend analysiert werden, sei Zufall. "Herr Haselsteiner argumentiert auf der politischen Ebene. Wir sind auf der Ebene der ökonomischen Fakten." Die eingehende Analyse von WPZ-Chef Christian Keuschnigg, der diese bei der Pressekonferenz am Dienstag in Wien auch präsentierte, solle zum nachdenken anregen. "Dann bitte bildet sich jeder sein Urteil. Wir brauchen weder Wahlempfehlungen noch könnten wir das tun."

In der Wirtschaftskammer fänden sich schließlich grüne und freiheitliche Vertreter. Leitl vertrete alle miteinander, "so dass es mir gar nicht möglich ist, eine Wahlempfehlung abzugeben". Aber: "Gerade jetzt nach dem Trump-Sieg (bei den US-Präsidentenwahlen, Anm.) müssen wir uns um die Position Europas und damit Österreichs ernsthaft Gedanken machen." Besorgt zeigte sich der WKÖ-Präsident weil laut einer weiteren Studie (ORF/Sora) 28 Prozent der jüngeren Österreicher aus der EU austreten wollten. Die Politik setze sich immer auf Themen, die es in der Bevölkerung gebe. Daher will Leitl lieber mit den Austrittswilligen in Kontakt treten, um sie von der Union zu überzeugen, als eine Wahlempfehlung abzugeben.

Es gehe um eine Weiterentwicklung Europas, so Leitl. Damit argumentierte auch Keuschnigg: "Außerhalb der EU hat man weniger Einfluss als innerhalb. Das ist kein Gewinn von Autonomie - im Gegenteil", so der Ökonom. "Die Mitgliedschaft ist extrem wichtig für die Entwicklung der heimischen Wirtschaft", so der Ökonom mit Verweis auf die vielen Hidden Champions im Land die höchste Exportraten haben.

Ein Sukkus der WPZ-Analyse des früheren IHS-Chefs ist, dass man bei einem EU-Austritt schlicht nicht mehr mitbestimmen könne. Vor allem würde ein Öxit aber einen Umkehr der vielen Vorteile bedeuten, die Österreich dank der Mitgliedschaft habe, warnte Keuschnigg. Ein Öxit bedeute auch einen Austritt aus der Eurozone. Dem Euro als Leitwährung würde sich Österreich aber erst wieder indirekt anschließen müssen. "Dann würde man die Geldpolitik einfach passiv nachvollziehen." Leitl: „Österreich könnte bei einem EU-Austritt bis zu 150.000 Arbeitsplätze verlieren. Ein Öxit wäre ein schwerer Rückschlag für den Standort, er würde zu geringeren Lohnsteigerungen führen und einen Einkommensverlust von 7 Prozent des BIP bedeuten."

Der langfristige Einkommensgewinn dürfte der Studie zufolge jedenfalls sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen. Dem gegenüber stehen Nettobeitragszahlungen von knapp 0,4 Prozent, so Keuschnigg. Ein Austritt sei mit Kosten verbunden, denn die Teilnahme am Binnenmarkt würde man - wie etwa die Schweiz oder Norwegen - nicht gratis bekommen.

Die Direktinvestitionen ausländischer Konzerne in Österreich und österreichischer Firmen in der EU haben der Analyse zufolge stark zugenommen. Mit 566.000 Beschäftigten stellen ausländische Unternehmen in Österreich - Leitl hob etwa Siemens und Infineon hervor - ein Fünftel der Beschäftigten, ein Drittel der Umsatzerlöse und rund ein Viertel der Wertschöpfung. Dazu komme die Hälfte der industriellen F&E-Tätigkeiten von Töchtern internationaler Konzerne in Österreich.

Ohne EU um sieben Prozent ärmer

"Selbst bei einer egoistischen und rein nationalen Sichtweise hat die EU Österreich eine phänomenale Rendite gebracht. Den Nettozahlungen von 0,4 Prozent des BIP steht ein langjähriger Wohlstandsgewinn von 7 Prozent, also des 19-fachen gegenüber. Anders gesagt: Ohne EU-Beitritt wären wir heute um 7 Prozent ärmer, wäre die österreichische Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Durchschnitt jedes Jahr um 0,5 Prozent weniger gewachsen, als dies der Fall war", sagte Keuschnigg. 

Statistische Effekte aus dem Zugang zum Binnenmarkt bezifferte Keuschnigg mit rund zwei Prozent des BIP - das Fünffache der Nettobeiträge an die EU. Dies dank regulatorischerHarmonisierungen, die Kosteneinsparungen im Handel ermöglichten und die Exporte und die einhergehende Wertschöpfung steigerten. Umgekehrt führten Einsparungen bei Importen zu Preissenkungen und würden die Realeinkommen stärken. Das bringe wieder zusätzliche Nachfrage. Da der beiderseitige Marktzugang dank der Mitgliedschaft leichter sei, verschärfe sich der Wettbewerb, was die genannten Effekte wieder verstärke.

Die EU-Personenfreizügigkeit sorge wiederum für qualifizierte Zuwanderung sowohl aus den alten als auch aus den neuen EU-Staaten im Osten, so Keuschnigg. Die Quoten an Zuwanderern mit Sekundar- und Tertiärabschluss liege über dem Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung.

(APA)

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