Der geplante Asset-Tausch der OMV mit Gazprom verzögert sich. Erst braucht Moskau eine Lösung für die Nord Stream 2.
Wien. Wo wäre dieser Konzern nur, wenn es mich nicht gäbe? Gedankenspiele wie diese gefallen Unternehmenschefs. Auch die teilstaatliche OMV hat durchgespielt, wo der Energiekonzern ohne Rainer Seeles Kosten- und Investitionsbremse stünde. Das Ergebnis schmeichelt dem Konzernchef naturgemäß. Seit er an Bord ist, sucht die OMV weniger Öl und Gas, verkauft Töchter und senkt die Kosten. Das zeigt Wirkung: In den ersten neun Monaten des Jahres wäre der operative Gewinn ohne diese Maßnahmen um 600 Mio. Euro geringer ausgefallen.
Aber nicht alle können sich mit dem neuen Kurs anfreunden. Kritiker werfen dem Manager vor, bei der OMV alles zu verkaufen, was nicht niet- und nagelfest ist, und zu sehr auf die Partnerschaft mit der russischen Gazprom zu vertrauen. Der OMV-Chef selbst hält an seiner Strategie fest: Nach dem Verkauf der britischen OMV-Tochter und des Hälfte-Anteils der Gas Connect Austria soll 2017 auch die türkische Tankstellenkette Petrol Ofisi einen neuen Eigentümer bekommen.
Phase der Investitionen kommt
Die OMV müsse „erst einmal weiter Geld einsammeln“, erklärt Rainer Seele. Das sei klüger, als sich mit hohen Schulden überhastet in Zukäufe zu stürzen. Aber die „Phase der Investitionen“ soll für die OMV schon im nächsten Jahr kommen. Denn um die Kosten pro Fass Erdöl weiter zu senken, reiche Sparen allein nicht aus. Mit Kosten von 11,7 Dollar je Fass liegt die OMV heute um vier Dollar besser als vor einem Jahr, aber immer noch klar über dem Zehn-Dollar-Branchenschnitt. Um dorthin zu kommen, sucht das Unternehmen neue, junge Felder mit niedrigen Produktionskosten.
Ganz oben auf der Liste steht daher das geplante Tauschgeschäft mit der Gazprom. Für eine Beteiligung an einem sibirischen Gasfeld bietet die OMV den Russen einen Anteil an am eigenen Nordsee-Geschäft. Doch der Deal verzögert sich. Norwegen signalisierte Widerstand gegen eine große russische Beteiligung im Land. Und auch Moskau selbst könnte zügiger arbeiten. „Erst brauchte Gazprom mehr Zeit im Dataroom“, erzählt Seele. Und ab September wollten sie „ewig über die Pipeline reden, wenn ich eigentlich den Tausch besprechen wollte“, so der Manager, der erst am Mittwoch von Verhandlungen aus Moskau nach Wien gereist ist.
„Die Pipeline“ ist die geplante Gasleitung Nord Stream 2 durch die Ostsee nach Deutschland. Mit dem 9,9 Mrd. Dollar teuren Projekt will Gazprom seine Transportkapazität nach Europa auf dieser Route verdoppeln und das Transitland Ukraine umgehen. Die OMV war wie andere westliche Konzerne als Zehntelpartner vorgesehen. Doch der erbitterte Widerstand des polnischen Regulators brachte das Konstrukt im Spätsommer zum Kollabieren.
OMV zahlt Nord Stream 2 mit
Nun steht Gazprom offiziell allein da – und sucht Möglichkeiten, die Leitung trotzdem zu finanzieren. Das werde man „angehen müssen“, räumte Seele ein – und deutete an, dass die OMV hier eine Rolle spielen könnte. Selbst die Idee, einen Milliardenbeitrag zu investierten ohne formal Miteigentümer zu werden, wollte er nicht verwerfen. Wahrscheinlicher ist, dass ein neues Konstrukt gefunden wird, das die alten Partner wieder vereint. Seele zeigte sich optimistisch, „schon bald“ mehr darüber berichten zu können. „Wir haben großes Interesse daran mitzuwirken, denn die Pipeline ist für die OMV von hoher strategischer Bedeutung, und wir sind überzeugt, dass sie kommen wird“, sagte er.
Tatsächlich sind die Chancen der Nord Stream 2 trotz des Widerstands mancher EU-Länder gestiegen. Ende Oktober erlaubte die EU Gazprom, künftig mehr als 50 Prozent der Opal-Pipeline zu nutzen, mit der Gas aus der Nord Stream am Kontinent verteilt werden soll. Steht auch die Finanzierung, könnte Rainer Seeles Prophezeiung noch in Erfüllung gehen: Bis Jahresende will er mit Gazprom eine Vereinbarung über den Tausch in Händen halten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)