„Russische Pipeline ist Auftakt für Teile-und-Herrsche-Politik“

Andriy Kobolyev
Andriy Kobolyev(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Ukrainer haben sich 2014 für Europa entschieden, sagt Andryi Kobolyev, Chef der ukrainischen Naftogaz. Die geplante Pipeline von Russland nach Deutschland sei enttäuschend.

Die Presse: Vergangenen Winter war es sehr warm. Die Sorge um eine sichere Gasversorgung trat in den Hintergrund. Wie groß ist die Gefahr, dass es heuer wieder zu einer Gaskrise kommt?

Andriy Kobolyev: Es ist schwierig vorherzusagen, ob Gazprom bereit sein wird, Gas zu liefern. Nicht nur für die Ukraine, sondern auch für andere europäische Länder. Beantworten kann ich allerdings die Frage, ob die Ukraine darauf vorbereitet ist. Ja, das sind wir. Wir haben genug Gas in unseren Speichern und erhalten zudem Gaslieferungen auf Rekordniveau aus Europa, sodass wir all unsere Kunden versorgen können.

In der Ostukraine gibt es weiter bewaffnete Konflikte. Kann es da in naher Zukunft normale Beziehungen zu Russland geben?

Diese politische Frage ist für mich als Manager schwer zu beantworten. Aber ich würde gern eine Parallele von der Politik zum Gasmarkt ziehen: Wenn Gazprom sich nach den Regeln verhält, wird es keinen Konflikt geben. Dann können wir business as usual haben.

Wie läuft der direkte Kontakt mit Gazprom derzeit ab?

Wir treffen uns seit Juni 2014 mit Vertretern von Gazprom nur mehr in der EU oder europäischen Drittstaaten. Die Treffen sind natürlich komplizierter als mit unseren Partnerfirmen in Europa. Sie sind aber mehr oder weniger konstruktiv.

Gazprom will die Kapazität der Nordstream-Pipeline zwischen Russland und Deutschland verdoppeln. Laut Ukraine soll so das ukrainische Transitnetz obsolet gemacht werden. Was würde Nordstream 2 für Sie bedeuten?

Die Ukraine würde mindestens zwei Mrd. Dollar an Transitgebühren pro Jahr verlieren, was ein großes Loch in unser Budget reißen würde. Es hätte aber auch politische Konsequenzen. Das ukrainische Volk hat 2014 eine sehr schwierige, und man könnte sagen, teure Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung für Europa. Wenn nun Aktivitäten von EU-Mitgliedsländern gesetzt werden, die die Ukraine stark treffen, dann gibt das jenen Auftrieb, die meinen, man habe sich einer Familie zugewandt, die einen gar nicht will.

Gibt es Ihrer Sicht nach einen Mangel an Solidarität in Ländern wie Deutschland oder Österreich, die Nordstream 2 unterstützen?

Die Ukraine und die EU haben ein Assoziierungsabkommen geschlossen. Und dieser Vertrag sagt klar, dass Mitglieder bei Entscheidungen darauf Rücksicht nehmen sollen, welche Auswirkungen das auf andere Mitglieder hat. Wir sind hier nicht emotional. Wir wollen nur, dass sich alle an die Regeln halten.

Sie bezeichnen Nordstream 2 auch als Trojanisches Pferd für Europa. Was meinen Sie damit?

Nordstream 2 hätte auch auf die Gasmärkte in Zentraleuropa eine sehr negative Auswirkung. Das Gas würde dort teurer als in Deutschland werden. Und das wäre der Auftakt für eine russische Teile-und-herrsche-Politik. Denn Russland könnte diesen zentraleuropäischen Ländern dann das Angebot machen, ein Entgegenkommen beim Gaspreis gegen geopolitische Unterstützung einzutauschen.

Das Gegenargument – etwa in Deutschland – lautet, dass es einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt, bei dem man nicht Partei ergreifen, von dem man aber auch nicht hinsichtlich der Energieversorgung abhängig sein will.

In jedem Konflikt haben Dritte das Recht, sich nicht direkt daran zu beteiligen. Aber man sollte dennoch eine klare Meinung haben, was richtig und was falsch ist. Die EU steht für Werte wie nationale Souveränität und die Ablehnung von Aggression. Wenn Menschen, die diese Werte früher immer vertreten haben, plötzlich still werden, ist das ein schlechtes Zeichen.

Es gibt aber auch Kritiker der Ukraine, die sagen, die Argumente wären nur vorgeschoben. In Wirklichkeit gehe es nur um die Transitgebühren.

Stellen Sie sich ein Haus vor, in dem der Bewohner einer Wohnung plötzlich eine direkte Leitung nur zu sich haben will. Das hat nicht nur ökonomisch keinen Sinn. Pipelines sind ein natürliches Monopol. Wenn eine neue gebaut wird, ist die alte tot.

Sie wurden nach der Revolution von 2014 Naftogaz-Chef. Sie sagten einmal, dass es zuvor enorme Korruption gegeben habe. Können Sie ein Beispiel nennen?

Das bekannteste Beispiel ist die Firma Rosukrenergo. Dieser komplett unnütze Zwischenhändler machte Milliarden Dollar an Gewinn. Profitiert haben davon ukrainische Ex-Politiker.

Eine Raiffeisen-Tochter hat bei Rosukrenergo als Treuhänder gedient. War das falsch?

Ich habe auch im Bankwesen gearbeitet. Und einer meiner Chefs sagte einst: „Du kannst alles machen, was lukrativ ist, solange du es deiner Großmutter erklären kannst.“ Ich glaube, das wäre in diesem Fall schwierig gewesen.

Zur Person

Andriy Kobolyev ist seit Oktober 2014 Chef der ukrainischen Naftogaz. Zuvor arbeitete der 38-Jährige in mehreren Positionen in dem staatlichen Gasversorger sowie beim Unternehmensberater PwC und der privaten Investmentgruppe AYA Capital. Er war am Freitag anlässlich einer Diskussionsveranstaltung zu Nordstream 2 in Wien, die von der Energy Community und der polnischen Botschaft veranstaltet wurde.

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