Kommt die Trendwende in Griechenland?

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Die Industrieproduktion stabilisiert sich, der private Konsum zieht an, die Arbeitslosenrate sinkt: Mit dem Problemkind Griechenland geht es wirtschaftlich aufwärts.

Athen. Mit einer leichten Erholung der griechischen Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr 2016 hatten viele gerechnet. Das Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent im Jahresvergleich für den Zeitraum Juli bis September 2016 war dann aber um einiges höher als erwartet und stimmt die griechische Regierung optimistisch für die Zukunft. Doch geht es wirklich aufwärts mit dem Problemkind Griechenland?

Tatsache ist, dass die griechische Wirtschaft nach dem Katastrophenjahr 2015 stärkere Widerstandskraft gezeigt hat als erwartet. Der Crashkurs der neu gewählten Regierung Tsipras gegenüber den Gläubigern im Frühjahr 2015 und die folgende Einführung der Kapitalkontrollen im Juni desselben Jahres ließen Schlimmeres erwarten. Der beginnende Aufschwung wurde zwar unterbrochen, und die Sparmaßnahmen des dritten Rettungspakets sorgten für eine Rezession im ersten Halbjahr 2016, aber nun scheint die Wirtschaft tatsächlich in Fahrt zu kommen. Der starke Zuwachs gerade im dritten Jahresdrittel ist zwar technisch vor allem dem starken Einbruch im Vergleichszeitraum 2015 zu verdanken, doch es stehen auch andere Zeichen auf Wachstum.

Erstaunlicherweise scheint es nicht der Tourismus sein, der das Wachstumswunder bewirkte – erste Zahlen über die Zahlungseingänge im Juli und August weisen auf Einnahmerückgänge hin. Es ist die zuletzt stark strapazierte griechische Industrieproduktion, die sich 2016 stabilisiert hat und insgesamt leicht zulegen dürfte, und, noch überraschender, der private Konsum.

Steuerliche Belastungen

Zwar haben sich die steuerlichen Belastungen der Bürger durch die Sparmaßnahmen des dritten griechischen Rettungspakets weiter erhöht. Doch gleichzeitig ging die Arbeitslosigkeit sowohl 2015 als auch 2016 leicht, aber stetig zurück. Noch 2014 lag die Arbeitslosenrate über 26 Prozent, im August 2016 hatte sie sich auf 23,4 Prozent reduziert. Nur noch knapp die Hälfte der Arbeitsplätze sind zwar volle Stellen, die Kaufkraft der Griechen hat aber dank der höheren Beschäftigung insgesamt zugenommen.

Im Sommer zogen auch die griechischen Exporte – nach einem schlechten ersten Halbjahr – wieder an; ein guter Richtwert sind auch die steigenden Verkäufe von neuen Autos. In Griechenland waren in den vergangenen Jahren angesichts der Finanznöte der Konsumenten vor allem Gebrauchtwagen gehandelt worden.

Das alles sind zwar gute, aber immer noch schwache Lebenszeichen. Deshalb versucht die Regierung Tsipras die Trendumkehr mit allen Mitteln zu stärken. Denn der Konsum allein wird nicht 2,7 und 3,1 Prozent Wachstum herbeizaubern, die für 2017 und 2018 von den Gläubigern angepeilt wurden. Dazu braucht es vor allem Investitionen, sowohl aus dem Ausland als auch im Inland. Und deshalb hat es Athen sehr eilig, die zweite Überprüfung des dritten Rettungsprogramms bis Anfang Dezember abzuschließen. Denn davon hängt es ab, ob die Gläubiger die im Mai angekündigten kurzfristigen Maßnahmen über eine Schuldenentlastung konkretisieren und eine Diskussion über die mittelfristigen beginnen. Das wiederum ist Voraussetzung für die Öffnung der Geldschleusen der EZB für griechische Anleihen, ohne die eine Verbesserung des Investitionsklimas kaum möglich sein wird.

Doch noch ist die zweite Überprüfung des Rettungsprogramms nicht abgeschlossen. Bei den Verhandlungen der Troika mit Griechenland geht es zur Zeit um Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, vor allem aber um Maßnahmen zum Abbau der exorbitant hohen unbedienten Kredite, die die Bilanzen der griechischen Banken belasten und die Kreditvergabe an die Wirtschaft blockieren. Fast die Hälfte der Kredite wird zurzeit nicht bedient. Die EU-Kommission machte erst vorige Woche klar, dass sie die Banken nicht mehr ohne Haircut refinanzieren werden wie im vergangenen Jahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2016)

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