Kurz vor Präsentation des E-Mobilitätspakets der Regierung kommt Kritik vom ÖAMTC. Österreichs Wirtschaft stellt sich auf neue Chancen, aber auch weniger Jobs in der Autoindustrie ein.
Wien. Der Anteil elektrisch betriebener Autos in Österreich ist derart gering, dass er in nebenstehender Grafik fast nicht mehr darstellbar ist. Und dennoch: Politik und Wirtschaft setzen – nicht nur hierzulande, sondern weltweit – große Hoffnungen in diese bisher kaum verbreitete Fahrzeugtechnologie. Die Politik deshalb, weil wohl nur so die selbst auferlegten Klimaziele zu erreichen sind. Die Wirtschaft hingegen muss sich den neuen Rahmenbedingungen anpassen, und sich neue Produkte und Geschäftsmodelle überlegen.
Um den Markt nun endlich spürbar in Fahrt zu bringen, will der zuständige Infrastrukturminister, Jörg Leichtfried (SPÖ), heute, Mittwoch, sein lange angekündigtes E-Mobilitätspaket vorstellen. Doch schon einen Tag vorher äußerte der heimische Autofahrerklub ÖAMTC deutliche Kritik an einer der vorab durchgesickerten, zentralen Maßnahme des Pakets. „Unserer Meinung nach ist die geplante Ankaufsförderung für Elektroautos nicht zielführend“, so ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold. Und weiter: „Die bisher kolportierte Summe von 5000 Euro Zuschuss pro Fahrzeug begünstigt nur eine Marktverzerrung und ist alles andere als sinnvoll eingesetztes öffentliches Geld.“
Förderungen gibt es schon
Dabei steht der ÖAMTC der neuen Antriebstechnik grundsätzlich positiv gegenüber. Schmerold, zuvor selbst bei Alcatal-Lucent im Technologiebereich tätig, glaubt aber, dass die direkte Stützung eines E-Auto-Kaufs nur jenen zugutekomme, die ohnedies zum Umstieg bereit seien. Als Negativbeispiel nennt er ausgerechnet Europas Automobilland Nummer eins, Deutschland, wo reine Elektroautos mit 4000, Plug-in-Hybride mit immer noch 3000 Euro vom Staat subventioniert werden. Die dadurch ausgelösten Mehrverkäufe seien bisher nämlich bescheiden.
Spürbare Förderungen für Anschaffung von Elektroautos gibt es bereits jetzt. Käufer ersparen sich die bis zu 16 Prozent ausmachende Normverbrauchsabgabe beim Kauf sowie die motorbezogene Versicherungssteuer. Den echten Durchbruch könnte Elektromobilität nach Einschätzung des ÖAMTC einerseits durch Ausnahmen von Fahrbeschränkungen erzielen, die für konventionelle Autos gelten (etwa Tempo 100 auf Autobahnen bei schlechter Luft). Und durch den Ausbau einer dichten und komfortabel nutzbaren Ladeinfrastruktur.
Job-Killer E–Motor
Es sind möglicherweise genau diese zusätzlichen Produkte, deren Herstellung zumindest einen Teil jener Arbeitsplätze auffangen könnte, die bei einem Erfolg des Elektromotors in der Automobilindustrie wegfallen würden. Weil Elektromotoren einfacher zu produzieren sind, sagten Experten zuletzt allein für Deutschland um 75.000 bis 100.000 Jobs weniger voraus. Ein Wandel, der auch hierzulande erhebliche Auswirkungen haben wird. Zwar sind unmittelbar keine österreichischen Pkw-Marken auf dem Markt, allerdings beschäftigen Zulieferer und Dependancen ausländischer Hersteller in Österreich 30.000 Personen.
Wie viele Arbeitsplätze durch neue, rund um das Elektroauto angesiedelte Produkte und Geschäftsmodelle entstehen werden, dazu traut sich derzeit noch niemand Prognosen abzugeben. „Jetzt schon abzusehen ist aber, dass es auf diesem Sektor jedenfalls zu einer Transformation kommen wird“, sagt Wolfgang Hribernik, der sich am Austrian Institute of Technology mit dem Themenfeld beschäftigt. Grundsätzlich bewertet er die Chancen der österreichischen Wirtschaft, Nutzen aus der Marktveränderung zu ziehen, als gut. Aber: „Um auch in Zukunft mitspielen zu können, muss noch mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden.“
Mit dem Thema Elektromobilität beschäftigen sich am Donnerstag und Freitag in Villach auch Experten von Unternehmen und Infrastrukturbetreibern. Titel der vom Verband für Elektrotechnik veranstalteten Tagung: „Ist die Zukunft der Mobilität elektrisch?“ (awe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)