Ein Betriebsrat klagt sechs Wochen Urlaub für alle ein

Presidential candidate Rudolf Hundstorfer of the social democrats SPOe talks to journalists as he leaves the voting station during presidential election in Vienna
Presidential candidate Rudolf Hundstorfer of the social democrats SPOe talks to journalists as he leaves the voting station during presidential election in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Weil sich die Sozialpartner nicht einigen, sollen nun die Gerichte entscheiden.

Wien. Über kaum ein anderes Thema wird in Österreich so leidenschaftlich gestritten wie über die sechste Urlaubswoche. Der Österreichische Gewerkschaftsbund will der von der Wirtschaft geforderten Flexibilisierung der Arbeitszeit nur dann zustimmen, wenn im Gegenzug die sechste Urlaubswoche für alle Arbeitnehmer nach 25 Dienstjahren kommt. Zahlreiche Minister sind mit Einigungsversuchen gescheitert. Vor einem Jahr bot beispielsweise der damalige Sozialminister, Rudolf Hundstorfer (SPÖ), den Unternehmen 400 Millionen Euro als Entlastung an, falls die Blockade bei der sechsten Urlaubswoche aufgegeben wird. Doch die ÖVP legte sich quer.

Weil hier nichts weitergeht, sollen sich nun die Gerichte mit dem Thema auseinandersetzen. Ein Betriebsrat eines oberösterreichischen Unternehmens hat jetzt beim Arbeits- und Sozialgericht Wels eine Klage bezüglich der sechsten Urlaubswoche eingereicht. Er wird dabei von der oberösterreichischen Arbeiterkammer unterstützt. Dabei handelt es sich um eine Musterklage. Setzt sich der Betriebsrat durch, profitieren alle älteren Arbeitnehmer davon.
Bis eine rechtsgültige Entscheidung vorliegt, dürften mindestens zwei Jahre vergehen, sagt Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich. Denn es sei davon auszugehen, dass die Klage durch alle Instanzen geht.

Liegt Diskriminierung vor?

Laut Urlaubsgesetz steht Arbeitnehmern nach 25 Dienstjahren eine sechste Urlaubswoche zu. Von diesen 25 Dienstjahren müssen Arbeitnehmer mindestens 20 Jahre im gleichen Betrieb gearbeitet haben. Die restlichen fünf Jahre können als Vordienstzeiten angerechnet werden. Das österreichische Gesetz sieht vor, dass für die sechste Urlaubswoche nur inländische Vordienstzeiten geltend gemacht werden dürfen. „Damit ist das österreichische Urlaubsrecht EU-widrig, weil ausländische Arbeitnehmer diskriminiert werden“, argumentieren die Juristen der Arbeiterkammer. Doch wie sind die Erfolgsaussichten der Klage?

„Die Presse“ hat dazu Anna Mertinz, Arbeitsrechtsexpertin der Wiener Kanzlei Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte (KWR), befragt. Diese meint, dass hier keine EU-Widrigkeit vorliegt, denn es sei in der österreichischen Judikatur bereits vorherrschende Meinung, dass der gesamte EU-Raum als Inland angesehen werde.
Viel wichtiger ist der Arbeiterkammer ein anderer Punkt. Wie erwähnt, sieht das österreichische Gesetz vor, dass Arbeitnehmer für die sechste Urlaubswoche mindestens 20 Dienstjahre im gleichen Betrieb gearbeitet haben müssen. Damit werden laut Arbeiterkammer aber Wanderarbeiter – wie Saisonarbeitnehmer – diskriminiert. „Der Europäische Gerichtshof verbietet jegliche Form der Diskriminierung“, sagen die Juristen der Arbeiterkammer. Außerdem verstoße Österreich mit der 20-Jahre-Regelung im gleichen Betrieb gegen die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Anna Mertinz von der Kanzlei KWR bezweifelt, dass sich die Arbeiterkammer hier durchsetzen wird. Ihrer Ansicht nach sei es legitim, dass in der EU die Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen im Urlaubsrecht haben.
Für die Wirtschaftskammer ist die Klage stark politisch motiviert. Wenn man auch die Feiertage berücksichtige, seien die Österreicher schon jetzt Urlaubsweltmeister, sagt Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer Österreich. Angesichts der schwachen Konjunktur seien den Firmen weitere Belastungen wie eine sechste Urlaubswoche für alle nach 25 Dienstjahren nicht zumutbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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