Ferreros böse Kinder-Überraschung

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Ein britisches Reporterteam wirft dem Süßwarenkonzern Hungerlöhne und Kinderarbeit vor. Die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet. Ferrero verspricht Aufklärung.

Bukarest. 1,99 bis 2,49 Euro kostet eine Dreierpackung Kinder-Überraschungseier hierzulande im Handel. Das entspricht inklusive Steuer 66 bis 83 Cent pro Stück. Die rumänischen Arbeiter, die jene Plastikkapseln mit Kleinspielzeug füllen, die sich innerhalb der Schokohülle befinden, bekommen für jede produzierte Einheit jedoch gerade einmal 0,4 Cent. Und es kommt noch schlimmer. Die britische Boulevardzeitung „The Sun“ behauptete in einer international wahrgenommenen Reportage, dass beim Zusammenbau der Kapseln auch Kinder zum Einsatz kommen.

Lange Lieferkette

Dabei klingt es fast zynisch, dass der international tätige Süßwarenhersteller Ferrero die beliebten Schokoladeneier unter dem Markennamen „Kinder“ verkauft. Die Italiener hielten sich mit Dementis der Geschichte bisher zurück. Vor dem Hintergrund eines drohenden Desasters kündigte das Unternehmen an, der Sache vor Ort nachzugehen. Sonst agiert der Konzern bisher verschlossen und beantwortet kaum Anfragen. Nur in der Presseagentur Reuters wird ein Unternehmenssprecher mit den Worten zitiert: „Wir sind entsetzt und tief betroffen über die Anschuldigungen.“ Ferrero untersage Zulieferern ausdrücklich den Einsatz von Kindern in der Produktion. Alle Unternehmen würden regelmäßig in diese Richtung überprüft.

Das will nun auch die zuständige Staatsanwaltschaft in Rumänien tun. Die zu untersuchenden Vorwürfe sind konkret. Das britische Reporterteam berichtete über ein Ehepaar, das gemeinsam mit seinen zwei Kindern und einer Nichte in Heimarbeit säckeweise Kleinstspielzeug in gelbe Plastikkapseln steckt, und anschließend an ihren Arbeitgeber retourniert.

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist Ferreros Vertragspartner in Rumänien eine Firma namens Romexa SA. Nach „Presse“-Recherchen hat sich das Unternehmen auf die Produktion von Plastikspielzeug spezialisiert. Offenbar erfolgreich. Im Handelsregister wies Romexa 2015 mit einer Million Euro einen doppelt so hohen Gewinn wie noch vor fünf Jahren aus. Im Vergleich zum Konzernergebnis von Ferrero (907 Mio. Euro) ist das freilich nur ein geringfügiger Betrag.

Nun wird es verworren. Romexa gibt an, nichts von den behaupteten Missständen zu wissen. Das Unternehmen beschäftigt nämlich noch ein weiteres Subunternehmen, das laut den in der „Sun“ zitierten Personen die Kunststoffteile zum Zusammenbau an die betroffenen Familien liefert. Doch auch diese Firma names Prolegis gab gegenüber rumänischen Medien an, nichts davon zu wissen, dass die Kunststoffteile überhaupt die eigene Fabrik verlassen.

Genauso wie für die Konsumenten scheint der Fall auch für Ferrero schwer zu durchschauen zu sein. Einerseits wirken die betroffenen Personen in ihrem Auftreten glaubwürdig, sind namentlich zitiert und auf zahlreichen Fotos zu sehen, auf denen sie zwischen Unmengen von Kunststoffteilen mit ihren Kindern der Arbeit nachgehen. Andererseits drängt sich durch den Bericht der Eindruck auf, dass es die Eltern der Kinder sind, die diese zur monotonen Heimarbeit bewegen – und nicht die kritisierten Unternehmen. Zudem wirkt zumindest eines der veröffentlichten Fotos der „Sun“ seltsam. Während die Autoren die absurd niedrige Bezahlung der Familie kritisieren, lässt sich diese vor einem hochwertigen, und damit wohl auch teuren Flachbildschirm abbilden. Ob die Angelegenheit tatsächlich ein Fall für ein Strafgericht ist, oder doch bei Gewerbeaufsicht oder Jugendamt besser aufgehoben ist, dürften erst die Ermittlungen der Behörden klären.

Milliarden mit Süßem

Die Ferrero-Gruppe geht auf ein Familienunternehmen zurück. Heute führt Giovanni Ferrero die Geschäfte in dritter Generation. Der international tätige Konzern beschäftigt 30.000 Mitarbeiter und erzielte zuletzt 9,5 Mrd. Euro Umsatz. Neben Süßwaren mit dem Markennamen Ferrero stellt man in über 20 Werken Produkte wie Mon Chéri oder Nutella her. (awe/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2016)

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