"Deutschland macht Rolle rückwärts bei Sonntagsöffnung"

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Vor zehn Jahren wurde die Sonntagsöffnung zur Landessache. Und in den Jahren danach wegen mehrerer Gerichtsurteile immer komplexer. Der Handel fordert einfachere Regelungen.

Seit 2006 ist die Sonntagsöffnung in Deutschland Ländersache. In den meisten Bundesländern dürfen Geschäfte an vier Sonntagen im Jahr geöffnet sein; es gibt aber zahlreiche Ausnahmen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 wurde die Regelung insofern eingeschränkt, als Läden sonntags nur öffnen dürfen, wenn es einen externen Anlass gibt, etwa ein Fest, eine Veranstaltung oder einen Weihnachtsmarkt.

Ende 2015 legte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch eins drauf. Danach müssen Kommunen vorab nachweisen, dass mehr Besucher auf den Weihnachtsmarkt gehen werden als ins Kaufhaus. Ein schwieriger Beweis, viele halten ihn für unmöglich. Zudem wurde die Reglung noch restriktiver, da nur Geschäfte in unmittelbarer Nähe des Festes oder der Veranstaltung öffnen dürfen. So dürften während der Frankfurter Buchmesse die Geschäfte in der Innenstadt nicht offen halten, weil sie zu weit vom Messegelände entfernt liegen. Und wenn dann das Oberverwaltungsgericht Münster entscheidet, dass die Verkaufsfläche in den Kaufhäusern zudem nicht größer sein darf als etwa auf dem Weihnachtsmarkt, wird die Sache vollends komplex und ruft die Spitzenvertreter des Handels auf den Plan.

"Anlassbezug" streichen

Sie kritisieren die von den Gerichten geschaffene Praxis, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Die Verantwortlichen im Handel wollen, dass der Gesetzgeber den "Anlassbezug" streicht. "Deutschland macht bei der Sonntagsöffnung gerade eine Rolle rückwärts. Während tief katholische Länder in Europa wie Italien und Polen mit der Öffnung der Läden am Sonntag kein Problem haben, fallen zahlreiche bereits von den Städten genehmigte Sonntage derzeit wie die Dominosteine,“ sagt Olivier Van den Bossche, Vorsitzender der Geschäftsführung der Galeria Kaufhof. Der Handel brauche einfache Gesetze und Planungssicherheit. Der komplizierte Anlassbezug solle fallen.

Auch der Vorsitzende der Media-Saturn-Holding, Pieter Haas, meldete sich zu Wort. Seine Äußerung erinnert manch einen hierzulande an die Argumentationen um die Tourismuszone in Wien: "Es ist bemerkenswert, dass gerade in einem fortschrittlichem Land wie Deutschland die Läden in der Innenstadt ausgerechnet dann geschlossen sind, wenn die Menschen Zeit zum Einkaufen haben."
Auch Karstadt-Chef Stephan Fanderl fordert die Politik auf, hier aktiv zu werden. Alle Wochenendreisenden aus anderen Ländern würden sich über das rückständige Deutschland wundern. Er fordert bundesweit "mindestens zwölf verkaufsoffene Sonntage“.

Konkurrenz durch Online

Auch der Einzelhandelsverband schlägt in die gleichen Kerben. Man verlange eine bundesweite Regelung, den Wegfall des „Anlassbezuges“ und zehn verkaufsoffene Sonntage pro Jahr – was nicht im Widerspruch zum Bundesverfassungsgericht steht - , sagt Stefan Genth, HDE-Hauptgeschäftsführer Er argumentiert mit der Gleichbehandlung mit dem Online-Handel. an. "Wenn die Geschäfte in der Stadt geschlossen sind, kaufen die Kunden online ein", sagt er. Tatsächlich gilt der Sonntagnachmittag als der umsatzstärkste im Online-Handel.

Nicht ganz unerwartet vertritt Verdi hier einen ganz gegenteilige Ansatz. Der Sonntag sei vom Gesetzgeber ausdrücklich geschützt und als Ruhetag für die Arbeitnehmer gedacht, heißt es dort. "Der eigentliche Skandal ist", sagt eine Sprecherin, "dass bei Sonntagsöffnungen die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben von vielen Verantwortlichen missachtet werden und die staatliche Rechtsaufsicht in diesem Bereich nahezu vollständig versagt." Sprich: Viele Städte machen angeblich, was sie wollen.

Eine Änderung des Situation ist kaum in Sicht. Denn Arbeitsministerin Andrea Nahles lehnt die Forderung nach einer bundesweiten Regelung ab. Sie sieht die Länder am Steuer.

>>> Bericht in der "Süddeutsche Zeitung"

(red.)

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