Euro und Dollar bald auf Gleichstand

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Schon im Frühling könnten die globalen Leitwährungen wieder gleich viel wert sein – erstmals seit fast 15 Jahren. Das liegt ebenso an der Schwäche Europas wie an der Stärke der USA.

Washington. Beiderseits des Atlantiks braut sich ein perfekter Sturm zusammen, der den Wert des Euro auf den tiefsten Stand seit eineinhalb Jahrzehnten drücken könnte. In den vier wichtigsten Mitgliedstaaten der Eurozone wird sich bis zum Herbst entscheiden, ob die populistische, antiglobalistische und europafeindliche Welle bricht oder sämtliche Fundamente zentristischer Staatskunst wegspült. Italiens Ministerpräsident, Matteo Renzi, hat sein politisches Schicksal an die Volksabstimmung zur Verfassungsreform am kommenden Sonntag geknüpft; die Niederlande wählen am 15. März ein neues Parlament; der erste Durchgang von Frankreichs Präsidentenwahl findet am 23. April statt; im Herbst folgt die Wahl zum deutschen Bundestag. Alle vier Termine werden die Nerven auf den Währungsmärkten blank legen.

„Meine Annahmen und Zuversicht werden am Tag vor dem zweiten Durchgang in Frankreich einen Drink benötigen“, unkte Kit Juckes, Chefvolkswirt der französischen Großbank Société Générale, unlängst auf Bloomberg TV. Das Vertrauen in die Fähigkeit der Europäer, ihre Gemeinschaftswährung durch entschlossene Reformpolitik und eine Dynamisierung der Volkswirtschaften zu stärken, ist in den sieben Jahren seit Ausbruch der Griechenland-Krise nicht gewachsen.

In den USA wiederum greifen zwei Umstände ineinander und treiben den Dollarkurs stramm nach oben. Erstens wird die Federal Reserve sehr wahrscheinlich im Dezember ihre Leitzinssätze erhöhen. Diese Abkehr von der Nullzinspolitik der US-Notenbank wird den Dollar und auf ihm fußende Wertpapiere reizvoller für den Zustrom ausländischer Anleger machen. Zweitens sorgt die Ankündigung des designierten US-Präsidenten, Donald Trump, über ein Jahrzehnt hinweg eine halbe oder gar eine ganze Billion Dollar zur Modernisierung der amerikanischen Infrastruktur einsetzen zu wollen, für Wachstumshoffnungen. Ob Trump dieses defizitträchtige Vorhaben durch den republikanisch dominierten Kongress bringt, steht zwar in den Sternen. Doch die bloße Aussicht auf einen fiskalisch stimulierten amerikanischen Boom treibt den Dollar in die Höhe. Seit Trumps Wahlsieg am 8. November hat der Euro gegenüber dem Dollar um zeitweise mehr als fünf Prozent an Wert verloren.

Paradoxe Folgen für USA und Europa

Die Société Générale erwartet, dass schon in den ersten drei Monaten des neuen Jahres Gleichstand zwischen Euro und Dollar herrschen wird. Zuletzt war das im Jahr 2002 der Fall. Bloomberg News hat Währungshändler nach ihrer Meinung gefragt: Wird der Euro bis Ende 2017 auf das Niveau des Dollar sinken? In Summe geben die Händler diesem Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 43 Prozent. „Der Trump-Sieg hat die Dinge geändert“, schrieb der Marktstratege George Saravelos von der Deutschen Bank.
Doch diese sich im Euro-Dollar-Wechselkurs auf den Währungsmärkten ausdrückende Sichtweise der Zukunftsfähigkeit Europas und der Vereinigten Staaten könnte paradoxe Folgen haben.

Denn ein abwertender Euro hilft nicht nur europäischen Exporteuren. Er macht auch Importe teurer – allen voran Erdöl, das vorrangig in Dollar gehandelt wird. Somit würde der Euro-Dollar-Gleichstand die Preise in der Eurozone steigen lassen. Das wiederum würde die Europäische Zentralbank darin bestärken, ihren milliardenschweren Wertpapierkauf, der die lahme Konjunktur und die kaum sichtbare Inflation antreiben soll, rasch zu beenden. Auch der nächste Schritt, nämlich die Abkehr von der Nullzinspolitik, wäre angesichts wachsender Teuerung schlüssig zu begründen.

In den USA wiederum macht ein aufwertender Dollar es für Präsident Trump schwieriger, sein Wahlversprechen umzusetzen, nach Übersee verschobene amerikanische Industriearbeitsplätze heimzuholen, damit steigende Löhne und Gehälter zu bewirken. Ein teurer Dollar erhöht nicht nur die Preise der Waren amerikanischer Exporteure. Er macht auch die ausländische Konkurrenz billiger. In so einem währungspolitisch verschärften Wettbewerb bleibt Industriebetrieben nur jene Wahl, die Trump nicht gefallen kann: Menschen durch Roboter zu ersetzen – oder die Fabrik gleich ins Ausland zu verlagern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. November 2016)

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