Der Kampf um das Holz war gestern

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Lange Zeit war Recycling ein gutes Geschäft. Doch heute erstickt Österreich in altem Holz. Entsorger müssen dafür zahlen, dass sie den Rohstoff noch an Fabriken liefern dürfen.

Wien. 50 Euro für eine Tonne Abfall. So viel hat Hans Roth, Chef des steirischen Entsorgungsbetriebs Saubermacher, noch vor einem guten Jahr bekommen, wenn er eine Tonne Abfallholz an eine heimische Fabrik geliefert hat. Dort wurden die alten Sessel, Holzlatten und Fensterläden zu neuen Spanplatten gepresst, für die Papierproduktion verwendet oder in Biomassekraftwerken verheizt.

Das recycelte Holz war damals noch ein begehrter Rohstoff, denn frisches Holz aus dem Wald war eher knapp. So knapp, dass manche Papierkonzerne viel Geld ausgaben, um etwa den Bau eines neuen Biomassekraftwerks in Klagenfurt zu verhindern – aus Sorge, letztlich ohne Rohstoff dazusitzen.

Heute, keine 15 Monate später, sieht die Welt ganz anders aus. Wenn Hans Roth in wenigen Wochen mit derselben Tonne Altholz bei einem Produktionsbetrieb anklopft, kann er froh sein, wenn dieser ihm seinen Rohstoff noch abnimmt. 50 Euro wird er dafür nicht mehr sehen. Im Gegenteil: Um sicherzugehen, dass er das Holz auch loswird, wird der Entsorger dem Unternehmen für jede übernommene Tonne rund 30 Euro zustecken.

Viel deutsches Holz im Land

Damit ist die Abfallwirtschaft in einer ähnlichen Lage, wie es die deutschen Stromerzeuger sind. Auch sie hatten an besonders windreichen Tagen in den vergangenen Jahren oft so viel Strom, dass sie dafür bezahlen mussten, dass jemand diese überschüssige Elektrizität auch verbraucht. Doch anders als in der Energiebranche ist die Ursache für die sogenannten Negativpreise beim Abfallholz keine aus dem Ufer gelaufene Förderung. Es gibt schlichtweg zu viel altes Holz im Land – und zu wenige, die es gebrauchen könnten.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Der anhaltende Wirtschaftsboom in Deutschland, der niedrige Ölpreis, die Abwanderung der heimischen Industrie, drei milde Winter, die italienische Bürokratie und strengere Gesetze in Österreich.

Aber der Reihe nach.

Jedes Jahr fallen in Österreich rund 760.000 Tonnen Altholz an, die von der Abfallindustrie verwertet werden müssen. Zudem werden im Schnitt rund 230.000 Tonnen importiert (siehe Grafik). Solange die Rohstoffpreise hoch waren, war der Verkauf von recyceltem Papier, Plastik oder Holz ein blühendes Geschäft. Doch seit dem Preissturz beim Erdöl vor zwei Jahren ist alles anders. Der tiefe Fall des schwarzen Goldes hat auch alle übrigen Rohstoffe nach unten gerissen, der Markt für Sekundärrohstoffe, die aus dem Abfall gewonnen werden können, schrumpft.

Doch während es für altes Plastik oder Metalle zumindest einen Weltmarkt gibt, die Entsorger also global nach Abnehmern suchen können, ist die Situation beim Holz anders. Holz ist sperrig, es kann nicht gut verdichtet werden. Ein Transport über Hunderte oder gar Tausende Kilometer lohnt sich daher nicht. Zudem fällt „immer mehr Ware zum Verwerten an“, sagt Hans Roth.

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Drei milde Winter mit wenig Heizbedarf hätten die Lagerbestände vergrößert, zudem hätten die heimischen Forstwirte im Vorjahr über eine Million Festmeter an ungeplantem Schadholz zusätzlich aus dem Wald gebracht. Damit nicht genug. Auch aus dem Ausland drängt Abfallholz über die Grenzen. Und zwar zu besten Preisen. So fällt in Deutschland aufgrund der guten Konjunktur deutlich mehr Altholz an als früher. Die deutschen Kapazitäten sind erschöpft, an vielen Orten gibt es bereits Annahmestopps. Daher seien Deutsche bereit, für die Entsorgung in Österreich deutlich mehr zu zahlen als heimische Firmen, so der Saubermacher-Chef.

Weniger Holz darf verbrennen

Auch Italien fehlen eigene Verwertungsanlagen – und das wohl noch für längere Zeit. Unter zwölf Jahren ist kein Genehmigungsverfahren beendet. „Es besteht die Gefahr, dass heimische Mengen verdrängt werden“, sagt Roland Pomberger, Professor für Abfallwirtschaft an der Montan-Uni Leoben. „Nur zehn Prozent mehr Altholz, und wir haben ein Problem.“ Denn während das Angebot steigt, geht die Nachfrage zurück. Die Deindustrialisierung setzt der Branche zu. „Jedes Spanplattenwerk, das nach Rumänien geht, ist eine Katastrophe für uns“, so Roth. Im kommenden Jahr könnte sich die Lage weiter zuspitzen, denn der Abfallindustrie geht ein weiterer Hauptabnehmer verloren. 200.000 Tonnen Altholz wurden bisher in Biomassekraftwerken verbrannt. Nicht immer ging es dabei mit rechten Dingen zu, erzählen Experten hinter vorgehaltener Hand. Auch behandelte Hölzer oder lackierte Fensterläden seien ins Feuer geworfen worden. Eine Novelle der Altholzrecyclingverordnung soll dem ein Ende setzen. In Hinkunft werden daher wohl nur noch rund 80.000 Tonnen Altholz im Jahr verbrannt werden. Der Rest muss anderweitig verwertet werden. Für die Entsorgungsbetriebe bedeutet das: Noch mehr Holz, noch weniger Abnehmer und eine schlechte Nachricht für die Kunden: Der Preis wird steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2016)

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