Geschäfte unter seltsamen Freunden

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Um die russische Raffinerie Enisey ist ein wilder Kampf entbrannt. Mittendrin: die Moskauer Raiffeisen-Tochter und ein Multimillionär, dessen Firma auf der US-Sanktionsliste steht.

Wien. Auszeichnungen mit dem Zusatz „des Jahres“ sind eine heikle Sache. Aus Österreich weiß man, dass „Manager des Jahres“ nach einiger Zeit überproportional die Insolvenzstatistik beleben. Und in Russland kann so mancher „Deal of the Year“ danebengehen. Diese Auszeichnung erhielt die Raiffeisenbank International (RBI) 2011 jedenfalls für ihre Beteiligung an einer strukturierten Kreditlinie für die russische Raffinerie Enisey.

250 Mio. Dollar hat ein Konsortium aus der Moskauer ZAO Raiffeisenbank, der RBI, der VTB-Bank und der Moskauer UniCredit-Tochter den Ölraffineuren in der russischen Republik Komi geborgt. In der Zwischenzeit ist die Laufzeit des Darlehens zu Ende. Und die Zahlungsfähigkeit von Enisey auch. Der Verfall der Ölpreise hat dafür gesorgt, dass die Raffinerie ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann.

Kurzum: Der Kredit ist, wie man so schön sagt, faul. Aber auch faule Kredite lassen sich verwerten. Die Moskauer Raiffeisen-Tochter, angeblich größter Enisey-Gläubiger, wirft ihre Forderung – 50 Mio. Dollar – jetzt jedenfalls auf den Markt. Mit einem beim Verkauf notleidender Forderungen nicht unüblichen Abschlag von 70 Prozent. Das 50-Mio.-Dollar-Paket ist also noch 15 Mio. Dollar wert.

Das Interessante daran: Um den faulen Kredit reißen sich mehrere internationale und nationale Interessenten. Den Zuschlag wird voraussichtlich eine Moskauer Gesellschaft namens AssetFinanz erhalten, hinter der der Multimillionär Alexander Iwanow steht. Dessen Haupteinkunftsquelle ist das Transportunternehmen Sovfracht. Eines der größten Logistikunternehmen Russlands, das über Niederlassungen in Westeuropa, darunter auch Wien, verfügt.

Und das nach Angaben der russischen Zeitung „Kommersant“ seit Kurzem einen kleinen Makel aufweist: Es steht auf der US-Sanktionsliste, weil es Lieferungen an die uniformierten russischen „Urlauber“ in der Ostukraine und auf die Krim durchgeführt haben soll. Allerdings: Iwanow selbst findet sich auf der Liste nicht.

Ist das ein Problem? Die RBI, die sich zu Details unter Berufung auf die Worte Bankgeheimnis und Kundenbeziehungen nicht äußert, sagt Nein. Wörtlich: „Die Raiffeisen Bank International AG hat umfangreiche Vorkehrungen getroffen und IT-unterstützte Prüfprozesse implementiert, um sicherzustellen, dass jedes Bankgeschäft und jede Transaktion im Einklang mit EU-Sanktionen stehen, sowie anwendbare US-Sanktionen berücksichtigt werden.“

„Fragwürdige Gesellschaft“

Die Mitbieter, von denen einer sagt, er habe für den Raiffeisen-Anteil ungeschaut „ein Prozent mehr als der Mitbewerb“ geboten, wundern sich, wieso sich Raiffeisen trotz des besseren Angebots in ihrer Meinung nach „fragwürdige Gesellschaft“ begeben will.

Bleibt noch die Frage, warum sich alle um den kaputten Kredit einer schlingernden Raffinerie in der russischen Provinz reißen. Das Zauberwort heißt „Restrukturierung“: Finanzierungen sind mit umfangreichen Pfandrechten verbunden. Wer einen nennenswerten Anteil der Forderungen hält, der hat auch das Unternehmen in der Hand. Und kann es entschuldet wieder neu aufsetzen.

Bei Enisey eine einfache Rechnung: Das Unternehmen würde ohne Schuldenberg und bei steigendem Ölpreis rasch in die Gänge kommen. Wer den Raiffeisen-Anteil mit 70-prozentigen Discount bekommt, kommt also bei geschicktem Vorgehen mit 15 Mio. Dollar zu einem Unternehmen, das unter Freunden an die 200 Millionen wert ist. Kein Wunder, dass das Stoff für Räuberpistolen liefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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