EZB ist nach Italien-Referendum unter Zugzwang

EZB-Chef Mario Draghi.
EZB-Chef Mario Draghi. REUTERS/Juan Medina
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Die Ablehnung der Verfassungsreform in Italien erhöht Handlungsdruck auf Europäische Zentralbank. Es wird erwartet, dass sie ihr Anleihen-Kaufprogramm verlängert.

Nach dem Referendum in Italien ist der Druck auf Europas Währungshüter gewachsen. Schon zuvor waren Volkswirte davon ausgegangen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer Sitzung am Donnerstag in Frankfurt ihre milliardenschweren Anleihenkäufe verlängern und damit die Geldflut für das Bankensystem noch einmal ausweiten wird.

Die Abstimmung in Italien und die gestiegene politische Unsicherheit dürften die Notenbanker nicht unbeeindruckt lassen - obwohl die Finanzmärkte auf die Ablehnung der Verfassungsreform und den Rücktritt von Premierminister Matteo Renzi zunächst relativ gelassen reagierten.

Zumindest hat das Votum der Italiener unter Ökonomen letzte Zweifel beseitigt, dass der EZB-Rat über März 2017 hinaus in großem Stil vor allem Staatsanleihen kaufen wird. "Mario Draghi wird nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer gießen wollen", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Diskussion um ein vorzeitiges Ende des Kaufprogramms dürfte vom Tisch sein. Die Anleihenkäufe helfen nach Ansicht vieler Ökonomen vor allem hoch verschuldeten Staaten wie Italien, ihre Zinslast erträglich zu halten.

Nowotny: Kein Italien-Ausscheiden aus Euro

Hektische Reaktionen sind von der EZB allerdings nicht zu erwarten. So zeigte sich EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny nach dem Referendum vergleichsweise gelassen. Auch nach dem Nein der Italiener sei ein Ausscheiden des Landes aus dem Euroraum kein Thema, sagte der österreichische Notenbankchef: "Ich sehe überhaupt kein Anzeichen in diese Richtung."

Unklar ist noch, wie lange die EZB die Anleihekäufe verlängern wird und wie viel Geld sie in die Hand nehmen wird. Ökonomen erwarten mehrheitlich, dass die Notenbank beschließt, ihr bisher auf 1,74 Billionen Euro angelegtes Anleihen-Kaufprogramm um sechs Monate bis Ende September 2017 zu verlängern. Sollte die EZB dabei ihr aktuelles Volumen pro Monat beibehalten, kämen weitere 480 Mrd. Euro hinzu.

Volkswirte rechnen jedoch mit technischen Anpassungen. "In jedem Fall dürfte die Entscheidung zu einer Verlängerung mit einer Aufweichung der Ankaufkriterien einhergehen, um einer drohenden Knappheit an ankaufbaren Anleihen in einigen Marktsegmenten zu begegnen", erwarten Ökonomen der Postbank. Ohne diese Anpassungen kann die EZB die Anleihekäufe in diesem Tempo nicht mehr lange fortsetzen. Der Leitzins von null Prozent und der Strafzins für Bankeinlagen von minus 0,4 Prozent werden nach einhelliger Einschätzung von Volkswirten unverändert bleiben.

Monte Paschi bittet um Aufschub für Rettungsplan

Der Kurs der EZB wird vor allem in Deutschland heftig kritisiert. So forderte der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, die Notenbank solle bereits ab April die Anleihenkäufe allmählich auslaufen lassen: "Das Argument der EZB, die Inflationsrate im Euroraum sei zu niedrig, trägt 2017 nicht mehr." Die Teuerung dürfte sich im nächsten Jahr dem Inflationsziel der EZB von knapp unter 2,0 Prozent annähern, weil der dämpfende Effekt der Ölpreise auslaufe. "Der Ausgang des Italien-Referendums ändert daran nichts", betonte Fuest.

Notenbank-Chef Mario Draghi wird sich nach dem Zinsbeschluss wahrscheinlich auch zur Schieflage italienischer Banken äußern, die unter einem Berg fauler Kredite ächzen. So hat die italienische Krisenbank Monte dei Paschi die EZB um einen Aufschub für ihren Rettungsplans gebeten. Das Geldhaus strebe nun als Frist den 20. Januar an, teilte die Traditionsbank am Mittwochabend mit. Hintergrund sei die Unsicherheit darüber, wie es nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum mit der neuen Regierung weitergeht, verlautete aus Kreisen.

Das Institut, das zuletzt regelmäßig durch die europaweiten Banken-Stresstest fiel, braucht dringend frisches Eigenkapital. Der ursprüngliche Plan sah vor, bis Monatsende über eine Kapitalerhöhung fünf Milliarden Euro am Markt einzusammeln. Doch die Suche nach neuen Ankerinvestoren gestaltet sich schwieriger als gedacht. Aus Finanzkreisen verlautete, de facto hätten die begleitenden Investmentbanken das Vorhaben, das mit einem Anleihentausch einhergehen sollte, erst einmal auf Eis gelegt.

(APA/Reuters)

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