Mauricio Macris düstere Bilanz

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ARGENTINA-URUGUAY-MACRI-VAZQUEZ(c) APA/AFP/JUAN MABROMATA
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Vor einem Jahr trat Mauricio Macri in Argentinien an, das darnieder liegende Land wieder flott zu bekommen. Die Aufbruchsstimmung ist mittlerweile heftigen Vorwürfen gewichen.

Buenos Aires. Die letzte Woche seines ersten Amtsjahres war wohl die schlimmste für Mauricio Macri. Am späten Abend des St-Nikolaus-Tages beschloss Argentiniens Kongress eine deutliche Senkung der Einkommenssteuer. Aber das Gesetz kam nicht von der Regierung, sondern von deren vereinten Gegnern. Der Präsident, der im Wahlkampf versprochen hatte, die Steuer für Arbeiter und Angestellte abzuschaffen, wollte sie nun gar ausweiten. Der nun angenommene Oppositionsentwurf durchkreuzt Macris Plan – und reißt ein Riesenloch in dessen schon reichlich zerschlissenes Budget.

Heute, Samstag, ist Macri genau ein Jahr im Amt. Und schon wieder klemmt die Kasse. 2016 wird das Budgetdefizit mehr als sieben Prozent betragen, das ist der höchste Wert seit der Hyperinflation 1989. Die Inflation stieg auf Werte über 40 Prozent. Und Mauricio Macri findet den Zündschlüssel nicht, um den seit fünf Jahren abgesoffenen Wirtschaftsmotor seines Landes anzufahren.

In der Niederlage im Kongress sehen viele einen Vorboten für kommendes Jahr. Macris Koalition Cambiemos könnte noch weitere Niederlagen einfahren, was die Chancen schmälern könnte, dass die Minderheitsregierung bei den Parlamentswahlen im Oktober eine Mehrheit bekommt.

Dabei hatte alles verheißungsvoll begonnen. Nur sechs Tage nach Amtsübernahme beendete Macri die seit 2011 geltenden Währungskontrollen. Im April einigte sich Argentinien mit den Altgläubigern. Und im September reisten 1600 CEOs nach Buenos Aires, zum Argentina Business & Investment Forum. Ein Davos in der Pampa, nur ohne Berge und Schnee.

Leider blieb es vorerst auch ohne Wirkung. Argentinien präsentiert sich der Welt als Dornröschen – als Riesenland mit enormem Potenzial an Energie, Bergbau, Landwirtschaft und erheblichem Nachholbedarf an Infrastruktur. Doch nur wenige Unternehmer wollten bisher darauf wetten, dass der Millionär Mauricio Macri, ein mäßiger Redner ohne politische Wurzeln und ohne territoriale Kontrolle des achtgrößten Flächenstaates der Erde, das Dornengeflecht aus Korruption, Filz und Ineffizienz beiseite räumen kann.

Zugegeben, er trat ein schweres Erbe an: ein aufgeblähter Staat, der 40 Prozent des BIP verschlingt, die zweithöchste Inflationsrate der Welt und eine Wirtschaft, die seit 2011 nicht mehr gewachsen ist.

Doch Macri wollte Aufbruchstimmung, nicht Abrechnung. Darum folgte er dem Rat seines Imageberaters und verschwieg zunächst dem Volk – und auch potenziellen Investoren – das wahre Ausmaß des übernommenen Desasters. Ein Riesenfehler, der sich allmählich zum Bumerang auswächst. Denn jetzt, wo der Aufschwung nicht einsetzen will, geben immer mehr Bürger dem Neuen die Schuld, etwa an den ständig steigenden Preisen, die 1,4 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze getrieben haben. Inzwischen ist, so die katholische Kirche, jeder dritte Argentinier arm.

Kaum Schulden unter Kirchner

45 Mrd. Dollar hat Argentinien heuer aufgenommen, 2017 sollen 40 Mrd. dazukommen. Dabei half das so ziemlich einzige positive Erbe der zwölfeinhalb Jahre Kirchner: Das Land hatte kaum noch Schulden, weil niemand den Kirchners Kredit geben wollte. Doch der Plan, mithilfe der Finanzmärkte halbwegs ungeschoren bis zu den Parlamentswahlen zu kommen, ist seit der US-Wahl in Gefahr. Donald Trump will auf Pump eine gigantische Infrastrukturoffensive anfahren, die gewiss die Kredite verteuern wird.

Macri hatte geplant, seinen Kahn zum ersten Dienstjubiläum in sichere Gewässer zu steuern. Er hoffte, dass Steuersenkungen für den Agrarsektor und Bergbau Investoren anlocke, dass diese Arbeit schaffen und dass sein Land durch Senkung der Zollschranken auf die Weltmärkte zurückkehren könne. Doch die Investoren erschienen vornehmlich auf den Finanzmärkten, angelockt von Superzinsen bis zu 40 Prozent, mit denen die Zentralbank die Pesoschwemme der Vorgängerregierung austrocknen will. So investierten auch argentinische Unternehmen lieber in Schatzbriefe als in Personal. 127.000 Jobs gingen heuer verloren. Die Industrie, deren Produktion etwa acht Prozent unter Vorjahr liegt, versucht, ihre Belegschaft mit Sonderurlauben und Kurzarbeit vor der Kündigung zu bewahren. Von den Jubelbildern des 10. Dezember 2015 ist Macri Lichtjahre entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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