Pensionen: "Österreich ist ziemlich großzügig"

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Im internationalen Vergleich seien die heimischen Pensionen relativ hoch und das Pensionsantrittsalter relativ gering, sagt OECD-Vizegeneralsekretär Rintaro Tamaki. Er plädiert für die in Österreich umstrittene Pensionsautomatik.

Die Presse: Laut OECD-Zahlen gibt Österreich 14Prozent des BIPs für Pensionen aus. Der OECD-Schnitt liegt bei 8,7 Prozent. Warum ist unser System so viel teurer?

Rintaro Tamaki: Der Hauptgrund für diesen Unterschied ist die Nettoersatzrate, also jener Betrag, den Pensionisten im Verhältnis zu ihrem letzten Gehalt bekommen (gerechnet für einen Durchschnittsverdiener mit 45Beitragsjahren, Anm.). Diese ist in Österreich sehr hoch und liegt deutlich über dem OECD-Schnitt.

Konkret liegt sie bei 91,6 Prozent, während der OECD-Schnitt 63 Prozent beträgt. Sind die anderen Länder so knausrig, oder ist Österreich so großzügig?

Man kann sagen, dass Österreich ziemlich großzügig ist. Nicht nur in Bezug auf die Ersatzrate, sondern auch auf das Pensionsantrittsalter. Es gibt zwar Länder, in denen die Werte noch höher sind. So können etwa türkische Pensionisten netto sogar mehr als 100 Prozent ihres Arbeitseinkommens erhalten, weil sie geringere Steuern- und Abgaben zahlen müssen. In Österreich sind die Werte aber auch schon sehr hoch. Und das wird aufgrund der Überalterung das System in Zukunft auf die Probe stellen.

Was muss der Staat also tun?

Um das System angesichts der alternden Bevölkerung zu erhalten, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man macht Reformen, um die Nachhaltigkeit des Systems zu gewährleisten – etwa, indem man das Antrittsalter mit der steigenden Lebenserwartung per Automatismus verknüpft. Die zweite Möglichkeit ist, die Abgaben für die Aktiven zu erhöhen. Die Pensionsbeiträge sind in Österreich aber schon jetzt über dem OECD-Schnitt. Ich glaube also nicht, dass das eine gute Option wäre.

Stichwort Pensionsautomatik. Diese wird hierzulande regelmäßig diskutiert und von den Kritikern als inhuman abgelehnt, weil dann „ein Computer entscheiden würde“.

Was will ich als künftiger Pensionist lieber haben? Ein nachhaltiges System, das sich an die Realität anpasst. Oder ein vordergründig großzügiges System, das aber seine Versprechen nicht halten kann. Ich würde Ersteres wählen.

Ein Argument gegen die Pensionsautomatik ist aber auch, dass sie nur das gesetzliche, nicht aber das faktische Antrittsalter anheben könne, weil es für Ältere schlicht keine Jobs gebe.

Das ist ein Problem. Aber es ist ein Problem, das nicht über das Pensionssystem gelöst werden kann und sollte. Hier braucht es entsprechende Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, um ältere Arbeitnehmer für Arbeitgeber wieder attraktiver zu machen.

In den 1970er-Jahren haben die Menschen länger gearbeitet und kürzer gelebt. Die Folge ist, dass aus einst 15 Pensionsjahren rund 25 Pensionsjahre geworden sind. Ist es eine falsche Erwartung vieler Menschen, ein Recht auf 25 Jahre Pension zu haben?

Zuallererst: Es ist eigentlich eine sehr schöne Sache, dass die Menschen heute länger leben. Gleichzeitig ist es aber richtig, dass in den 1970er-Jahren alle Staaten mit kürzeren Lebenserwartungen gerechnet haben. Das hat sich geändert. Und daher muss auch das System geändert werden. Denn eines darf man nicht vergessen: Die Pensionisten haben ja nicht selbst für ihre Pension angespart, sondern es ist das Geld, das aus den Taschen der Jungen an sie fließt. Wenn die jüngere Generation nun schrumpft oder ihre Einkommen sinken, dann kann auch diese Unterstützung nur mehr geringer ausfallen. Das ist ein unveränderbarer Zusammenhang.

Die verantwortlichen Politiker in Österreich sagen regelmäßig, dass unser Pensionssystem sicher sei. Würden Sie das mit Blick auf die Zahlen auch so sagen?

Das hängt davon ab, was man unter sicher versteht. Umlageverfahren sind grundsätzlich sicher, weil sie flexibel sind. Sinken die verfügbaren Beiträge, kann man immer darauf reagieren – etwa, indem man die Pensionen kürzt. Insofern ist das System sicher. Aber ohne Anpassungen ist es unmöglich, dass die jüngeren Generationen angesichts des demografischen Wandels die Älteren wie bisher finanzieren.

Vom Thema Überalterung ist Ihr Heimatland, Japan, besonders betroffen. Welche Lehren kann Europa aus den japanischen Erfahrungen ziehen?

Wir sind unglücklicherweise bei der Überalterung das fortschrittlichste Land. 2050 werden in Österreich 28 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre alt sein, in Japan liegt dieser Wert bei 39 Prozent. Fast 40 Prozent aller Japaner werden dann also im Pensionsalter sein. Laut Berechnungen wird ein Pensionist dann von nur noch 1,1 Aktiven finanziert werden müssen. Das ist unmöglich. Deshalb müssen Anpassungen so schnell wie möglich gemacht werden. Aber wie immer bei langfristigen Themen werden die Reformen ständig aufgeschoben. Auf nächstes Jahr, auf 2018 und so weiter. Das ist nicht nur in Österreich ein Problem.

ZUR PERSON

Rintaro Tamaki ist seit 2011 Vizegeneralsekretär der OECD. In dieser Funktion ist er unter anderem für die Themen Steuern und finanzielle Stabilität verantwortlich. Vor seiner OECD-Karriere war Tamaki Vizefinanzminister Japans. Er stand 35 Jahre im Dienst des Tokioter Finanzministeriums.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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