Trünkel: Das Ende einer Fleisch-Tradition

Das Logo der Wiener Institution wird verschwinden.
Das Logo der Wiener Institution wird verschwinden.(c) Stanislav Jenis
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Nach 111 Jahren schließt mit dem Wiener Wurstspezialitäten-Unternehmen Trünkel im April 2017 das nächste Traditionsunternehmen – wegen Supermarktketten und Vegantrends.

Auf der Facebookseite werden noch die Weihnachtsaktionen beworben: Wiener Sacherwürstel, Preiselbeerpastete, Försterschinken, Roastbeef und Prosciutto Villa Bianca. Dazu Carpaccio, Südamerikanischer Lungenbraten, Trüffelpastete und Kalbsleber.

Im April 2017 wird diese Seite verloschen sein. Dann werden dort keine Rezepte mehr wie Blunz'ngröstl mit frischem Kren zum Nachkochen zu finden sein. Und dann ist mit Trünkel ein weiteres Wiener Traditionsunternehmen Geschichte.

„Wir haben rechtzeitig die Reißleine gezogen“, hält Hans Trünkel, Geschäftsführer des Familienbetriebs, nüchtern fest. In rund vier Monaten wird das Unternehmen geordnet geschlossen, das seine Wiener Wurstspezialitäten seit 1905 anbietet und über die Grenzen der Stadt bekannt ist. Nun wurden 98 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Kündigung beim AMS (Arbeitsmarktservice) angemeldet.


Reißleine gezogen. Was meint Trünkel mit „rechtzeitig“ die Reißleine gezogen“? Das Unternehmen schlittert nicht ungeordnet in eine Insolvenz, die Mitarbeiter und Gläubiger mit leeren Händen zurücklässt. Vielmehr wird das Geschäft in Ruhe und geordnet beendet: Die Mitarbeiter erhalten Gehälter, Weihnachtsgeld, Abfertigungen, auch die Lieferanten werden bezahlt. „Es fallen keine Kosten für die öffentliche Hand an“, so Trünkel in Anspielung an den staatlichen Insolvenz-Entgeltfonds, der bei Pleiten normalerweise einspringen und die Gehälter auszahlen muss. Sein Unternehmen habe keine Verbindlichkeiten oder Bankschulden, betont Trünkel: „Aber die Eigenmittel sind aufgebraucht.“ Die Schließung kommt, weil er keine Zukunft für das Familienunternehmen mehr sieht.

Es gibt einige Gründe, weshalb Trünkel aufgibt. „Zur Fortführung des Betriebes wären millionenschwere Investments nötig. Die dafür erforderlichen Mittel konnten und können auch in Zukunft nicht erwirtschaftet werden“, erklärt der Geschäftsführer des Familienbetriebs: „Wenige Einkäufer bestimmen über 95 Prozent des Umsatzes in der Fleisch- und Wurstindustrie.“ Im Klartext: Der Preis in der Fleischindustrie wird von wenigen Handelsketten bestimmt. Und dort zähle laut Trünkel in erster Linie der Preis, und nicht die Qualität. Dazu kommt, was der Fleisch-Unternehmer als „geändertes Kundenverhalten“ bezeichnet. Es gehe einerseits um (immer mehr) Veganer und Vegetarier und den gesellschaftlichen Trend zu einer fleischlosen, gesunden und nachhaltigen Ernährung. „Unsere Produkte, also Fleisch und Wurst, sind medial sehr negativ behaftet“, meint der Geschäftsführer. Dazu käme, dass die muslimische Bevölkerung als Kunde ausfalle und die Rückgänge nicht kompensiert werden könnten: „In 90 Prozent unserer Produkte ist Schweinefleisch drinnen.“

Die Folgen dieser Entwicklungen: Trünkel hat zuletzt ein Drittel seines Jahresumsatzes verloren und erreichte nur noch 15 Millionen Euro. Das führte in den vergangenen fünf Jahren zu herben finanziellen Verlusten. Die einst 25 Standorte wurden auf neun Filialen reduziert. Dazu kommt, dass die Fleischbranche „seit vier Jahren keine Preiserhöhung erreichen konnte, die dringend notwendigen Spannen sind nicht mehr erzielbar“, klagt Trinkl. Und stetig steigende behördliche Auflagen und Vorschriften würden gerade den mittelständischen Betrieben erhebliche Kosten verursachen, die nicht refinanzierbar seien. Gerade mittelständische Betriebe wie seiner kämen dadurch unter Druck, weil sie auch „zu groß für die Nische“ seien, und „zu klein, um den Branchenführern Paroli bieten zu können“. Man habe alles versucht, aber leider keinen Käufer gefunden, um das Unternehmen und seine Arbeitsplätze zu retten, meint Trünkel. Und bevor eine Insolvenz drohe, müsse er den „gerade für ein Familienunternehmen schmerzhaften aber notwendigen Schritt einer Liquidierung“ setzen.

Diese Vorgangsweise von Trünkel ist im Wirtschaftsleben eher die Ausnahme: „Aber ich habe das so gemacht, weil sich das so gehört“, meint der Unternehmer: „Mein Leben lang war ich ein geradliniger Geschäftsmann.“


Start im September 1905. Gegründet wurde das Unternehmen von Leopold Trünkel I. im September 1905 in der Westbahnstraße in Wien-Neubau. Produziert wurde anfangs vor allem Grundbrät (Faschiertes) für die Wurstproduktion, nachdem sich nicht jeder Fleischer die notwendigen Maschinen leisten konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete Leopold Trünkel II. wieder einen Betrieb – daraus wurde die gleichnamige Wiener Filialkette, die bis zu 180 Mitarbeiter beschäftigte. Und deren 111-jährige Firmengeschichte im April 2017 endet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2016)

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