Massives Lohngefälle verstärkt Zuzug von Osteuropäern

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Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat die Lohnunterschiede innerhalb der EU untersucht. Demnach bekommen in Ungarn, Rumänien und Bulgarien Spitzenverdiener noch immer weniger Geld als Niedrigverdiener in Österreich.

Wien/Brüssel. Warum suchen so viele osteuropäische Facharbeiter in Westeuropa einen Job? Dies hängt mit den deutlichen Lohnunterschieden in der EU zusammen. Über das Thema wird auch in Österreich intensiv diskutiert. So verlangen Teile der SPÖ wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl Maßnahmen, um den österreichischen Arbeitsmarkt vor Menschen aus Osteuropa zu schützen. Die europäische Statistikbehörde Eurostat veröffentlichte am Montag eine detaillierte Statistik über die Lohnunterschiede in der EU.

Untersucht wurden die Unterschiede bei den Bruttostundenverdiensten zwischen den zehn Prozent, die am wenigsten verdienen, und den zehn Prozent, die am meisten verdienen. In Österreich beispielsweise bekommen die Niedrigverdiener brutto 8,3 Euro pro Stunde. Die Höchstverdiener können sich über 25,7 Euro pro Stunde freuen.

Höhere Löhne in Westeuropa

Die Statistik zeigt, dass es zwischen Ost- und Westeuropa noch immer ein massives Lohngefälle gibt. In Ungarn erhalten die Niedrigverdiener 2,2 Euro pro Stunde und die Höchstverdiener 7,8 Euro. Das bedeutet, dass in Ungarn das höchste Dezil (zehn Prozent der Beschäftigten mit dem höchsten Verdienst) weniger bekommt als das niedrigste Dezil in Österreich. Es überrascht daher nicht, dass sich viele Ungarn in Österreich oder anderen westeuropäischen Ländern nach einem Job umsehen.

Viel schlechter ist das Lohnniveau in Bulgarien und in Rumänien. In Rumänien bekommen die Höchstverdiener nur fünf Euro pro Stunde. In Bulgarien sind es 4,2 Euro pro Stunde. Anfang 2014 öffnete auch Österreich den Arbeitsmarkt für Personen aus Rumänien und Bulgarien. Der frühere Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) versicherte damals, es würden „keine Riesenmengen“ kommen. Doch tatsächlich ist laut Statistik Austria die Zahl der Personen aus Rumänien und Bulgarien, die in Österreich eine Beschäftigung gefunden haben, von 2013 bis 2015 um 17.500 auf 50.200 gestiegen.

Menschen aus anderen osteuropäischen Ländern (wie aus Ungarn und der Slowakei) konnten zuletzt ebenfalls in Österreich Fuß fassen. Auch Deutschland, Schweden und Großbritannien sind begehrte Zielländer von osteuropäischen Jobmigranten.

Facharbeitermangel im Osten

Mittlerweile tun sich in Osteuropa viele Firmen schwer, Facharbeiter zu finden. Laut einer Studie des Personaldienstleisters Manpower Group sei mehr als die Hälfte der Firmen in Ungarn nicht mehr in der Lage, freie Stellen zu besetzen. Zwar werden in Ungarn viele Fachkräfte ausgebildet. Doch nach Abschluss der Ausbildung ziehen die jungen Menschen nach Westeuropa, weil sie dort mehr verdienen.

Neben den Bruttolöhnen sind allerdings auch die Lebenshaltungskosten (wie die Ausgaben für die Unterkunft und die Verpflegung) zu berücksichtigen. In Osteuropa sind die Lebenshaltungskosten bekanntermaßen niedriger als in Österreich.

Bemerkenswert sind laut Eurostat zudem die Lohnunterschiede innerhalb eines Landes. Am größten sind die Verdienstunterschiede in Polen, Rumänien und Zypern. In Polen verdienen die zehn Prozent mit den höchsten Bezügen 4,7-mal so viel wie die zehn Prozent mit den geringsten Löhnen. In Rumänien liegt der Wert bei 4,6.
Die geringsten Lohnunterschiede gibt es in Schweden (2,1), Belgien und in Dänemark (jeweils 2,4). Österreich liegt mit einem Wert von 3,1 im unteren Drittel.

Wie lässt sich das erklären? In Österreich haben die Gewerkschaften die Bildung eines Niedriglohnsektors verhindert, sagt Helmut Hofer, Experte vom Institut für Höhere Studien (IHS) im „Presse“-Gespräch. Die geringen Gehaltsunterschiede in Schweden hängen laut Hofer ebenfalls mit der starken Stellung der Gewerkschaften zusammen. Hinzu kommt, dass in Schweden die Beschäftigten im öffentlichen Dienst relativ gut verdienen.

Die Eurostat-Experten haben sich auch die Unterschiede zwischen den Branchen angesehen. In vielen EU-Ländern erhalten die Bediensteten in der Finanz- und Versicherungsbranche die besten Gehälter. In Österreich liegen hingegen die Energieversorger auf Platz eins. In Luxemburg ist Erziehung und Unterricht der bestbezahlte Wirtschaftszweig, allerdings merkt Eurostat hier an, dass die Daten wegen geringer Stichprobengröße möglicherweise nicht zuverlässig sind. Am anderen Ende der Rangliste befindet sich in den meisten EU-Ländern die Branche Gastronomie und Beherbergung. Relativ niedrig sind meist auch die Löhne im Gesundheits- und Sozialwesen.

Auf einen Blick

Innerhalb der EU gibt es massive Lohnunterschiede. In Polen beispielsweise liegt das Verhältnis zwischen Niedrig- und Besserverdienern bei 4,7. Das bedeutet, dass die zehn Prozent mit den höchsten Bezügen 4,7-mal so viel verdienen wie die zehn Prozent mit den geringsten Löhnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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