Wer neu im Job ist, bleibt meist nicht lange

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Nur 22 Prozent der Österreicher, die vor kurzem ein Dienstverhältnis angefangen haben, sind nach zwei Jahren noch beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Frauen bleiben in jedem Alter länger im Job.

Wien. Es ist eine Prozentzahl, die viele überraschen dürfte: Man nehme alle Personen, die in Österreich in einem Jahr ein Dienstverhältnis angefangen haben (und keine Beamten sind). Man rechne Saisonarbeiter, geringfügig Beschäftigte, Lehrlinge und Ferialpraktikanten heraus. Übrig bleiben also jene, von denen man eigentlich annehmen könnte, dass sie länger in einem Unternehmen bleiben. Es geht um rund eine Million Menschen. Aber wie viele von ihnen arbeiten nach zwei Jahren und ohne Unterbrechung tatsächlich noch beim selben Dienstgeber? Der Anteil ist, im Schnitt über alle Altersgruppen, 22 Prozent. Das ist die wichtigste Erkenntnis aus einer Auswertung von „harten“ Verwaltungsdaten, die die Statistik Austria am Donnerstag präsentierte.

Wem die Zahl niedrig vorkommt, der arbeitet vielleicht mit Akademikern zusammen. Unter ihnen ist der Anteil der Verbliebenen mit 39 Prozent nämlich deutlich höher. Das andere Ende des Spektrums: Nur 13 von 100 Pflichtschulabgängern findet man nach zwei Jahren noch in der Firma, bei der sie angeheuert haben. Große Unterschiede gibt es auch zwischen Branchen: Während dem Finanzsektor mehr als die Hälfte der neu Angestellten die Treue halten (dürfen), ist die Fluktuation anderswo gewaltig: 85 Prozent beim Bau, 92 Prozent in der Gastronomie. Wohlgemerkt: Saisonale Beschäftigung wurde, so möglich, herausgerechnet.

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Ein weiteres Aha-Erlebnis bietet der Vergleich der Geschlechter. Viele Arbeitgeber scheuen bekanntlich davor zurück, junge Frauen einzustellen – weil sie befürchten, dass sie sich schon bald in die Karenz verabschieden. Aber diese Sorge erweist sich als unberechtigt: Im Schnitt bleiben Frauen ihrem Arbeitgeber viel eher erhalten als Männer. Das gilt sogar, wenn auch etwas abgeschwächt, im „Hauptfertilitätsalter“ zwischen 25 und 34 Jahren. Nur unter hoch Qualifizierten und in ihren typischen Branchen haben Männer den längeren Atem.

Zu viele niedrig Qualifizierte

Insgesamt erweist sich also der heimische Arbeitsmarkt als sehr dynamisch. Für andere Länder gibt es zwar (noch) keine vergleichbaren Daten. Aber ein solches Ausmaß an Fluktuation dürfte auch im internationalen Vergleich relativ hoch sein. Ist das nun gut oder schlecht? Konrad Pesendorfer unterscheidet: Als eindeutig positiv sieht der Statistik-Chef, „dass unser Arbeitsrecht Flexibilität zulässt“. Damit gibt es hierzulande keine „Beharrungsprobleme“, wie man sie extrem aus Spanien, aber auch aus Frankreich kennt: Wenn der Kündigungsschutz zu rigide ist, haben junge Leute vor allem in unsicheren Zeiten fast keine Chance auf ein gesichertes Dienstverhältnis. Umgekehrt: Wer schon einen fixen Job hat, aber damit unglücklich ist, kann ihn nur unter großem Risiko aufgeben. Denn wer ein stark geschütztes System verlässt, kommt kaum wieder rein. Dieses Problem gibt es in Österreich nicht, was auch die strukturelle Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich niedrig hält – ein klarer Pluspunkt für den Standort.

Nicht so eindeutig fällt das Fazit aus, wenn man darauf abzielt, wie der Einzelne seine Lage erlebt. Dass gerade bei den unteren Altersgruppen die Fluktuation so hoch ist, kann man auch positiv sehen: Junge Leute haben die Möglichkeit, so manches auszuprobieren, bis sie den passenden Job gefunden haben. Aber es könnte auch auf eine „Generation Praktikum“, auf viele befristete Dienstverhältnisse hindeuten (was hier nicht mit erhoben wurde). Bedenklich erscheint jedenfalls, dass niedrig qualifizierte Ein- oder Umsteiger ihren Job so selten behalten. Salopp gesagt: Entweder können sie zu wenig. Oder ihre Jobs sind – vor allem im Tourismus und am Bau – so unattraktiv oder überfordernd, dass es dort die Wenigsten länger aushalten. Oder beides. Dazu kommt, dass schlecht Ausgebildete meist auch die Ersten sind, die bei schwacher Konjunktur ihre Arbeit verlieren. Diese „Instabilität für den Einzelnen“ sieht Pesendorfer negativ. Seine Antwort lautet einmal mehr: Bildung. Diesmal aber nicht als Auftrag an den Staat, sondern an die persönliche Initiative – egal, ob es um Migranten oder hier Geborene geht.

Ein neues Licht werfen die Zahlen auch auf die Frage der Realeinkommen, die in den letzten Jahren statistisch betrachtet gesunken sind. Was unplausibel erscheint, wenn man an durchgehende Erwerbsbiografien denkt: Gewerkschaften lassen in Kollektivverhandlungen selten mehrere Jahre hintereinander ein reales Minus zu. Oft geht man deshalb von verzerrten Zahlen durch den wachsenden Anteil an Teilzeitbeschäftigten aus, und das ist auch sicher ein wichtiger Teil der Erklärung. Aber sollten vor allem Junge häufig unfreiwillig die Firma wechseln, könnte auch das ein relevanter Faktor sein: Ihr Reallohn sinkt, wenn sie in ihrem neuen Job schlechter verdienen als im alten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2016)

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