Der Müll aus Rom ist da

In Rom türmt sich der Abfall, in Italien will ihn niemand haben. Aber zum Glück gibt's ja noch Österreich.
In Rom türmt sich der Abfall, in Italien will ihn niemand haben. Aber zum Glück gibt's ja noch Österreich. (c) APA/AFP/FILIPPO MONTEFORTE
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Die EVN verbrennt ab sofort römischen Hausmüll. Ein gutes Geschäft, finden Analysten – auch wegen Österreichs Überkapazitäten.

Wien. Jetzt ist er also da: Der erste Zug mit italienischem Hausmüll ist Donnerstagfrüh bei der Müllverbrennungsanlage in Dürnrohr im Bezirk Tulln eingetroffen. Auf der Schiene wurden in 62 luftdicht verschlossenen Containern 700 Tonnen Abfälle aus Rom angeliefert. Vorangegangene Messungen ergaben, dass die Konsistenz fast identisch mit Hausmüll aus Niederösterreich sei, erklärt EVN-Sprecher Stefan Zach: „Ein paar mehr Spaghettiverpackungen sind der einzige Unterschied.“

Die Müllverbrennungsanlage bei Zwentendorf weist eine Jahreskapazität von 500.000 Tonnen aus. Maximal 70.000 dürfen per Vertrag aus Italien kommen.

Recyclingtrend unterschätzt

Im August hatten die römischen Behörden in Österreich angefragt, im November stimmte das Umweltministerium dem Deal zu.

Aus dem thermisch verwerteten Abfall produziert der zweitgrößte Energieversorger Österreichs Strom für 170.000 Haushalte in der Region, aber auch Fernwärme für St. Pölten und Unternehmen wie die Agrana.

Es scheint ein gutes Geschäft zu sein: Angesichts der akuten Notlage ist die Stadt Rom bereit, einen relativ hohen Preis von rund 140 Euro für die Entsorgung einer Tonne zu zahlen. Die beiden Nachbarländer seien sogar „ideale Handelspartner“ in Sachen Müll, meint die Finanzanalystin Aleksandra Rybczynska: Österreich habe „eine ziemlich hohe Recyclingrate“, zugleich aber „zu viel Kapazität“ an Entsorgungsanlagen aufgebaut, weil man „den Trend zu immer mehr Recycling nicht vorausgesehen“ habe. In Italien ist es genau umgekehrt: Es wird weniger recycelt, aber es gibt auch viel zu wenig Verbrennungsanlagen – weil sich die Anrainer erfolgreich gegen neue Projekte wehren.

Für die EVN will Zach die Überkapazität so generell nicht bestätigen: „Wir können nur ein Jahr lang diesen Müll übernehmen, weil wir freie Kapazitäten haben.“ Vorerst rollen zwei Züge pro Woche von Rom nach Dürnrohr.

Von den vier Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen, die jährlich in Österreich entsorgt werden, stammen rund 200.000 aus dem Ausland. Den Löwenanteil steuert mit 160.000 Tonnen schon bisher Italien bei. Und Österreich ist auch umgekehrt der größte Abnehmer von Unrat aus dem Belpaese: Über 27 Prozent der von den Italienern im Ausland entsorgten Menge landet hier. Weitere gut 13 Prozent werden von Ungarn übernommen, knapp zehn Prozent von der Slowakei und 7,5 Prozent von Spanien.

Die Stadt Rom hat ein gewaltiges Müllproblem. Oberflächlich betrachtet der Hauptgrund: 2013 musste Malagrotta, Roms und zugleich Europas größte Deponie, auf Druck von Brüssel hin schließen. Der „achte Hügel“ Roms, ein gigantischer Müllhaufen vor den Toren der Stadt, war seit Jahren überfüllt, offene Deponien sind in der EU generell verboten. Andere italienische Regionen sträubten sich massiv gegen den Abfall aus der Kapitale. Hinter dem Problem stehen aber auch Ineffizienz, Misswirtschaft, Korruption und mafiöse Strukturen beim kommunalen Abfallentsorger AMA. Die Müllkrise setzt Bürgermeisterin Virginia Raggi von der populistischen Fünf–Sterne-Bewegung immer stärker unter Druck. (Bloomberg/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

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