Als man mit dem Telefon noch telefonieren wollte

Telefonieren mit dem Handy
Telefonieren mit dem Handy(c) Michaela Bruckberger
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Dass es so kommt, hätte sich wohl kaum einer gedacht: Früher wollten wir telefonieren und durften nicht. Heute kostet es nichts mehr, aber es tut kaum jemand mehr.

Hätte mir als 17-Jährige jemand gesagt: Es kommt die Zeit, da ist Telefonieren nicht mehr teuer. Du kannst stundenlang mit Freund und Freundin an der Strippe hängen, sie dabei sogar am Bildschirm sehen – und es kostet nichts! Ein Traum wäre für mich in Erfüllung gegangen. Meine – zugegeben – langen Telefonate fanden nämlich in aller Regel ungewollt nach einem Brüller meines Vaters ein allzu jähes Ende.

Und wie ist das heute, in den paradiesischen Zeiten, in denen jedes Kind schon sein eigenes Smartphone hat? Kein Teenager mehr fürchten muss, eine Telefonleitung zu blockieren, sondern überall je nach Laune ungestört oder auch in Menschentrauben tratschen kann? Sie schreiben SMS mit atemberaubender Fingerfertigkeit, chatten auf Whatsapp, twittern, posten Bilder auf Facebook und Instagram. Aber sie telefonieren nicht!

Das Smartphone hat übrigens nicht nur unsere Kommunikation, sondern auch die Umgangsformen verändert. Ein spontaner Anruf kann sogar als Unhöflichkeit erlebt werden: „Wenn jemand unangekündigt anruft, hebe ich prinzipiell nicht ab“, hörte ich unlängst einen jungen Mann in der U-Bahn sagen. „Ich will einfach nicht überfallen werden. Wann ich ein SMS lese und vor allem, wann ich darauf antworte, kann ich bestimmen. Das ist mir viel lieber.“

Auch im Geschäftsleben wird viel weniger telefoniert. Es kostet zwar kein Geld, aber Zeit. Viele Unternehmen versuchen ihre Kunden seit Längerem konsequent dazu zu erziehen, lieber E-Mails zu schreiben, als zum Hörer zu greifen. Das weiß jeder, der auf diversen Internetseiten einmal erfolglos nach einer Kontaktnummer gesucht hat. Eine Maske mit vorgegebenen (Pflicht-)Feldern findet sich schnell, die Durchwahl zu dem gesuchten Ansprechpartner kaum. Das Argument: Statt den Kunden in der Warteschleife hängen zu lassen, um ihn dann an diverse Nichtzuständige zu verbinden, bekommt er auf seine Frage – hoffentlich – alsbald gleich eine kompetente Antwort. Das hat etwas für sich. Trotzdem ist es schön, manchmal eine Stimme zu hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2017)

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